In der jüngeren Vergangenheit haben Air-Berlin- und Niki-Kunden viel Geduld gebraucht: Es kam zu Flugverspätungen, Flieger wurden gecancelt. Waren dann die Passagiere an Bord, fehlten die Koffer.

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Luftfahrtexperte Kurt Hofmann sagte in der ZIB 2, er würde für November kein Ticket mehr bei Air Berlin kaufen. Kurzfristig reiche aber der Kredit der deutschen Regierung für den Betrieb.

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Frage: Was bedeutet die Pleite von Air Berlin für die Konsumenten? Wird die Airline planmäßig weiterfliegen?

Antwort: Bis zum November ist der Flugbetrieb laut offiziellen Angaben gesichert. Darauf könne man wohl vertrauen, sagt Ingmar Streese von der Verbraucherzentrale Bundesverband (VZBV) in Berlin.

Frage: Und was passiert mit den bereits gebuchten Tickets?

Antwort: Die Wahrscheinlichkeit, dass eine Auffanglösung zustande kommt, ist relativ hoch. Gelingt das nicht, kommt es darauf an, wo die Tickets gebucht wurden. Am schlechtesten sieht es laut Streese für jene aus, die bei Air Berlin direkt gebucht haben. Im Pleitefall würden ihre Ansprüche als Gläubiger jenen etwa von Großaktionär Etihad oder den Air-Berlin-Beschäftigten nachgereiht. Einzelne Kunden gehen dann wohl leer aus.

Frage: Gilt das auch für das Ticket aus dem Reisebüro?

Antwort: Die Chance, im Ernstfall wieder an sein Geld zu kommen, ist in diesem Fall höher, sagt Streese. Reisebüros seien in der Regel abgesichert. Das Gleiche gilt für jene, die eine Pauschalreise gebucht haben, weil der Reiseveranstalter eine Transportverpflichtung habe. Nicht dazu zählen allerdings Tickets, die über Flugvergleichsplattformen gebucht wurden. Lohnenswert sei es auch nachzufragen, ob der eigene Kreditkartenanbieter eine Absicherung inkludiert hat.

Frage: Kann es in der jetzigen Phase Probleme beim Rückflug geben, wenn man sich im Ausland befindet?

Antwort: In den nächsten drei Monaten nicht, sagt die Arbeiterkammer Niederösterreich. Aller Voraussicht nach findet er statt.

Frage: Soll man jetzt vorsichtshalber seinen Flug stornieren?

Antwort: Solange der Flugbetrieb aufrecht ist, kann man nicht kostenfrei stornieren. Wer sicher zu Silvester in Berlin feiern möchte, dem bleibt wohl nichts anderes übrig, als rechtzeitig – und im Endeffekt vielleicht auch auf eigene Kosten – umzubuchen.

Frage: Unabhängig von der Lösung, die nun für Air Berlin gefunden wird: Ist künftig mit einer Preissteigerung bei Tickets zu rechnen?

Antwort: Eher nicht, glaubt Experte Streese. Die Preise sind durch den Wettbewerbsdruck in den letzten Jahren europaweit gesunken. Der Trend könnte sich fortsetzen. Allerdings gelte es darauf zu achten, dass mit einer Übernahme keine Monopolstellung auf manchen Strecken entsteht.

Frage: Wie konnte es überhaupt so weit kommen? Die direkten Konkurrenten Ryanair und Easyjet verdienen ja auch Geld mit Billigfliegerei.

Antwort: Air Berlin agierte bei den Ticketpreisen oft wie ein Billigcarrier, hat aber die Kostenstruktur klassischer Airlines – ganz anders als Ryanair oder Easyjet. Dazu kommen etliche Fusionen, häufiger Managementwechsel, falsche Strategieentscheidungen und keine klare Struktur sowie Probleme auf der Langstrecke.

Frage: Warum zog Großaktionär Etihad gerade jetzt die Reißleine?

Antwort: Die arabische Airline steht selbst seit geraumer Zeit unter Druck. Die ehrgeizige Expansionsstrategie unter dem Ex-Chef James Hogan, der binnen weniger Jahre einen der weltgrößten Luftfahrtkonzerne bauen wollte, ging nicht auf. Die vielen Milliarden, die die Regierung Abu Dhabis dafür bereitstellen musste, brachten am Ende keinen Ertrag. Hogan musste gehen. Etihad will sich nun auf das eigene Geschäft konzentrieren.

Frage: Trifft die Entwicklung auch den Flughafen Wien?

Antwort: Der Marktanteil von Air Berlin inklusive Niki am Flughafen Wien lag laut Flughafen-Wien-Vorstand Julian Jäger im ersten Halbjahr 2017 bei etwa 7,5 Prozent. Im Vergleichszeitraum des Vorjahres waren es noch 15,4 Prozent. Allein der Marktanteil von Niki sank von zuletzt 9,2 Prozent auf 2,6 Prozent. Wien bemüht sich darum, andere Airlines nach Wien zu bringen. Die Landung des britischen Billigfliegers Easyjet wurde erst jüngst bekanntgegeben.

Frage: Der Flughafen Genf verlangt bereits Barzahlung von Air Berlin. Wie reagiert der Wiener Flughafen?

Antwort: Die Wiener wollen eine insolvenzsichere Zahlungsweise. Zum Beispiel frühere Rechnungslegungen mit kürzeren Zahlungszielen, über die Details wird noch gesprochen, sagte Flughafen-Vorstand Jäger zum STANDARD.

Frage: Wäre der deutsche Staat nicht eingesprungen, hätte Air Berlin sofort den Flugbetrieb einstellen müssen. Aber ist diese Staatshilfe überhaupt zulässig?

Antwort: Nein, findet der irische Konkurrent Ryanair. Er will Beschwerde bei der Kartellbehörde einlegen. Nach Ryanairs Ansicht sei der Insolvenzantrag mit dem Ziel arrangiert worden, dass die Lufthansa eine schuldenfreie Air Berlin übernehmen könne. Das verstoße gegen Wettbewerbsregeln. Die EU-Kommission will diese Frage nun prüfen.

Frage: Wenn Air Berlin so marode ist, wie es den Anschein hat: Woran ist die Lufthansa, die neben Easyjet als Interessent für Teile von Air Berlin gilt, überhaupt interessiert?

Antwort: Sicher nicht an der Übernahme der über eine Milliarde Euro hohen Schulden. Es geht um die Slots, also die Start- und Landegenehmigungen, und einen Teil der Flieger, um etwa mit der Lufthansa-Tochter Eurowings schneller und kostengünstiger zu wachsen. Und darum, einen Konkurrenten weniger zu haben.

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(Regina Bruckner, Claudia Ruff, 16.8.2017)