Bei Menschen sträuben sich die Haare, wenn sie in eine chinesische Pfefferschote beißen. Hasen dagegen spreizen bei Extraschärfe ihre Ohren, als wollten sie abheben. Zumindest reagiert so ein "mala-tuzi" (Feuerscharf) genanntes Karnickel immer, wenn es an seiner Leibspeise knabbern darf. Natürlich lebt der Hase in Chongqing, der Großstadt am Yangtse-Strom, die für ihren alle Geschmacksnerven betäubenden Chili berüchtigt ist. Zur Gaudi von Millionen Online-Fans nascht das Tier genüsslich nicht nur scharfen grünen Paprika, sondern auch getrockneten roten Chili. Spätestens dann stehen ihm die Ohren ab.

Mala beim Fressen.
New China TV

Das ist kein Photoshop, keine Tierquälerei und auch kein Dressurkunststück eigens für Youtube. Alles fing damit an, dass Besitzer Huang Chao sich vergangenen Oktober ein Hasenbaby als Schmusetier zulegte. Der 31-Jährige fütterte es mit Kohlblättern und Karotten, bis seiner Frau ein Malheur passierte. Die amtliche Nachrichtenagentur Xinhua recherchierte den Hergang.

Chili als Appetitanreger

Auf dem Weg zur Küche fiel ihr eine Handvoll getrockneter Chilischoten auf den Boden. Als sie zurückkam, gab es nichts mehr aufzukehren. Ihr zwei Monate alter Hase hatte den unverhofften Leckerbissen komplett verputzt. Das Ehepaar sorgte sich, dass das Jungtier nicht überleben würde, schrieb die Chongqinger Morgenzeitung. "Sie blieben deshalb die ganze Nacht auf." Doch ihrem Kaninchen ging es am nächsten Morgen so blendend, dass es mehr Karotten als sonst vertilgte. Von da an gaben sie Mala täglich Chili als Vorspeise und Appetitanreger vor den Karotten, morgens, mittags und abends. Inzwischen sei der Hase ein "Riesenexemplar und kerngesund".

Der nach Chilischoten, so schreibt Xinhua, "süchtige" Mala ist Sommerloch-Thema Nummer eins in Chinas Internet, seit erste Videoclips von ihm auftauchten. Die einen glauben an einen Werbecoup der Großmetropole Chongqing, die wegen ihrer brütenden Sommerhitze zu den "Glutofen-Städten" Chinas zählt. Andere finden es normal, dass in dem Stadtstaat mit 35 Millionen Bewohnern, wo es an jeder Ecke superscharf gewürzte Feuertopf-Gerichte zu essen gibt, selbst die Hasen Pfeffer fressen.

Schildkröte spielt nicht mit

Blogger sorgten sich aber, ob Mala mit den weitgespreizten Ohren nach seiner nächsten Völlerei flugtechnisch abheben und zur Plage für die umliegenden Chilifelder werden könnte. Eine Frau zeigte sich betrübt, dass ihre Lieblingsschildkröte dem Vorbild von Mala nicht folgen will. In einem für das Kriechtier ungewöhnlich raschen Tempo ergriff sie das Weite, als sie ihr roten Chili wie ein Salatblatt zum Probieren anbot.

Zuchthasen sind in Chinas Südwestprovinz Sichuan weit verbreitet, zu der auch Chongqing gehörte, bis es 1997 eigenständig wurde. Der frühere deutsche Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen (NRW) und spätere Bundespräsident Johannes Rau hat seinen Anteil daran. Als "nachhaltige Agrarhilfe" für die NRW-Partnerprovinz Sichuan brachte Rau im Sommer 1988 zur Veredelung des Zuchtbestands 50 besondere Hasen mit, darunter 25 Karnickel "Großer Riese" und 25 Angorakaninchen. Die Provinz bestätigte später, dass sich die robusten, auch "Rau-Rammler" genannten Tiere, "rasend vermehrten und Wolle und Fleisch lieferten". Vielleicht ist der chilifressende Mala ein Spätnachkomme. (Johnny Erling aus Peking, 17.8.2017)