Maurice Ernst, Kopf der Band Bilderbuch, während des Konzerts am Mittwoch.

Foto: APA/HERBERT P. OCZERET

Bilderbuch und ihre vielen Fans.

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Bei Yung Hurn kocht die Halle.

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Für Leute, bei denen deutschsprachiger Rap ab der letzten Jahrtausendwende irgendwo zwischen Aggro Berlin und hedonistischem Krawall und Remmidemmi zu unangenehmem Jucken im Gehörgang führte, war sie genau die Richtige: Nina Sonnenberg alias Fiva. Sie hatte Medizin gegen das Gebrabbel über dicke Eier und BMW-Kontrollfahrten um den Plattenbau. Mit lyrischen Texten, gespeist aus der Nähe zum Poetry-Slam anstatt zum Trash-TV, zeigte sie, dass es auch anders ginge. Die Zeile "Ich bin ein Goldfisch und muss nicht im Gold schwimmen" war eine Ansage.

Bekannt ist Fiva auch seit über zehn Jahren als Radio- und Fernsehmoderatorin. Der bürgerlichen Lebensrealität mag eventuell geschuldet sein, dass die jüngeren Platten von Kritikern nicht mehr einhellig für gut befunden wurden. Ihr aktuelles Projekt "Keine Angst vor Legenden" (2016) ist allerdings, zumindest live, eine feine Sache. Gemeinsam mit der 40-köpfigen Münchner Jazzrausch Bigband (JRBB) hat Fiva älteren Songs eine orchestrale Frischzellenkur gegönnt und auch neues Liedgut erarbeitet.

Am Frequency-Festival lockte der ungewohnte Sound trotz undankbar frühem Auftrittstermin gar nicht wenig Laufkundschaft vor die Hauptbühne. Zu Fivas üblichen Attributen wie Freundlichkeit, Charme und Intellekt kommt bei den neuen Arrangements dank eines breit besetzten Streichersatzes auch viel schönes Pathos hinzu.

Noch einmal durchatmen

In selbige Welt wusste auch die britische Sängerin Birdy zu entführen. Im zarten Alter von 15 passierte ihr mit einer Coverversion von Bon Ivers "Skinny Love" und weiteren Hits eine unerwartete Weltkarriere. Heute ist Birdy, bürgerlich Jasmine van den Bogaerde, 21 und hat mit ihrem dritten Album "Beautiful Lies" (2016) ihren Platz als personifizierte Stimme der Unschuld zwischen Adele-Glamour und Lorde-Entrücktheit gefestigt.

Die schüchtern-romantische Klavierballaden-Show gab den Frequency-Dschungel-Bewohnern Zeit, noch einmal durchzuatmen, bevor auf der Indoor-Weekender-Stage ziemlich radikal zum Kontrastprogramm mit Freudenzigarette geschritten wurde.

Allgemeine Wohlstandsfadheit

Der Rapper Yung Hurn kommt aus Wien-Donaustadt. Von dort aus beglückt er seit drei Jahren die deutschsprechende Youtube-Gemeinde mit nach Hustensaftmissbrauch klingenden Dada-, Lala- und Gaga-Texten über Marschierpulver-Ikone Andi Goldberger, fleischliche Liebe und allgemeine Wohlstandsfadheit mehr stil- als sinnstiftend.

Live präsentiert wird das mit Badehose, Drogenrucksack, Gashupe, ORF-Wetterbericht und W24-Bim-TV. Die Halle kocht, die Anlage kollabiert. Narrenfreiheit, bei der auch Gigi D'Agostinos "L'amour Toujours" ins Gebet genommen wird. Nicht die schlechteste Wahl.

Live noch zugelegt

Zumindest die Liebe zur Gashupe und Falco verbindet Yung Hurn auch mit den Popüberfliegern Bilderbuch. Als erst zweiter österreichischer Frequency-Headliner nach Parov Stelar im Vorjahr machten die Männer um Maurice Ernst klar, dass man an einem durchwachsenen zweiten Album nach dem Durchbruch live durchaus noch zulegen kann.

Zu sehen gab es Fensterglasbrille, Straßenmeistereioveralls und Turnschuhbühnenbild, zu hören Gospelsängerinnen, noch mehr Falco-Anklänge und mit "Baba" den wohl besten Song des neuen Albums "Magic Life". An Kritik und sich selbst gewachsen, gelang eine deutliche Steigerung zum Auftritt im Vorjahr. "Willkommen im Dschungel" – vielleicht auf viele weitere Jahre. (Stefan Weiss, 17.8.2017)