Waffensystem im Inneren eines Bakteriums. Die grünen Vorrichtungen sind bereit zum Angriff, die rosaroten wurden schon ausgestoßen.

Illustration: Leo Popovich

Wien – Eine Bakterienart wehrt sich mit dolchähnlichen Stoßwaffen gegen ihre Fressfeinde, fanden Forscher aus Österreich und der Schweiz heraus. Durch eine spezielle Struktur können diese Mikrodolche schnell ausgefahren werden und sind daher äußerst effektiv, berichten sie im Fachmagazin "Science".

Bakterien müssen sich in Acht nehmen, nicht zur Beute von Amöben zu werden. Kürzlich entdeckten Forscher um Matthias Horn von Universität Wien allerdings eine Bakterienart (Amoebophilus), deren Vertreter im Inneren der Amöben überleben und sich dort sogar rege vermehren. Gemeinsam mit Schweizer Kollegen beschrieben sie nun ein gefinkeltes Waffensystem der Amoebophilus-Bakterien, das ihnen dies ermöglicht.

An ihren Außenhüllen (Membranen) sind sechskantige Grundplatten verankert, von denen eine röhrenförmige Scheide ins Innere der Bakterien ragt. Darin steckt ein mit einer Spitze bewehrter Stab, der bei Bedarf rasch nach außen gestoßen werden kann. Das Scheidenrohr steht nämlich unter einer Vorspannung, und wenn es sich zusammenzieht, wird der Dolch darin extrem schnell durch die Bakterienmembran gedrückt. Diese Vorrichtungen sind stets in Bündeln von teils über dreißig Dolchen angeordnet, so die Forscher. Manch Bakterien besitzen ein solches Waffensystem, viele aber sogar zwei.

Möglicher Enzym-Trick

Zum Einsatz kommen sie, wenn die Bakterien bereits von den Amöben verschlungen wurden und in einer durch eine Membran umhüllte Verdauungsorganelle eingeschlossen sind. Dann fahren sie vermutlich ihre Waffen aus und zerstören die Membran entweder durch simple mechanische Gewalt, vielleicht aber auch mit einem zusätzlichen Trick. "Denkbar ist, dass sie mit membranabbauenden Enzymen getränkt sind, denn im Erbgut der Bakterien sind die Bauanleitungen dafür vorhanden", sagte Koautor Han-Fei Tsao.

Durch solche Attacken drehen die Bakterien den Spieß um und werden nicht von den Amöben verdaut, sondern können außerhalb ihres Verdauungssystems gemütlich überleben und sich sogar dort vermehren. Die Gene dieser mehrläufigen Waffensysteme haben große Ähnlichkeiten mit den Injektionssystemen von Bakteriophagen, also Viren, die Bakterien befallen, berichten die Forscher. "Wir gehen davon aus, dass sich diese Gene von Vorläufern heutiger Bakteriophagen vor langer Zeit ins Erbgut der Bakterien eingenistet und als Verteidigungssystem gegen Amöben umfunktioniert haben", so Horn. (APA, 18.8.2017)