Magendrüsen nach einer Helicobacterinfektion im Querschnitt: Die Zellwände sind in grüner Farbe und Zellkerne in blauer Farbe dargestellt.

Foto: Max-Planck-Institut für Infektionsbiologie

Wissenschaftler der Charité Universitätsmedizin Berlin konnten in Kooperation mit Kollegen am Max-Planck-Institut für Infektionsbiologie und der Stanford School of Medicine in Kalifornien zeigen, dass eine Helicobacterinfektion für die Entwicklung von Magenkrebs verantwortlich sein kann. In der Studie wurde erstmals ein direkter Zusammenhang zwischen der Infektion und einer beschleunigten Stammzellenregeneration innerhalb der Magendrüsen ermittelt.

Das Ergebnis der Untersuchung: Unter dem Einfluss des Bakteriums erhöht sich die Anzahl der Zellen mit Stammzellpotenzial und mit ihnen das Risiko einer pathologischen Veränderung.

Erhöhte Stammzellenteilung begünstigt Krebs

Infektionen mit dem Magenbakterium Helicobacter pylori sind weit verbreitet. Gleichzeitig gelten sie als wichtigster Risikofaktor für das Entstehen von Magenkrebs. Nach einer Infektion kommt es zu einer vermehrten Zellteilung im infizierten Gewebe aufgrund eines bis dato unbekannten Mechanismus. Das Forscherteam um Michael Sigal von der Charité Berlin konnte diesen Prozess nun erstmalig entschlüsseln. Die im Magen befindlichen Drüsen haben eine besonders hohe regenerative Kapazität. Alle ein bis zwei Wochen werden sie komplett ersetzt.

Wie eine bakterielle Infektion unter diesen Umständen zu langfristigen Veränderungen führen kann, war bislang jedoch unklar. "In der Basis der Drüsen finden sich jedoch langlebige Stammzellen, die stetig neue Zellen generieren", erklärt Sigal. "Wir wollten sowohl ihre Identität bestimmen, wie auch die Prozesse, die ihre Regeneration steuern", so der Studienleiter weiter.

Die Charakterisierung der Stammzellen hat gezeigt, dass es zwei unterschiedliche Stammzellarten im Magen gibt. Beide sind positiv für den Marker Axin2. "Wir haben herausgefunden, dass die Zellen, die sich direkt unterhalb der Drüsen befinden, ein spezifisches Molekül namens R-spondin 3 produzieren. Dieses beeinflusst die Funktion der Stammzellen maßgeblich. Es aktiviert die Zellteilung in einer Teilpopulation der Stammzellen und steigert dadurch die Regerationsgeschwindigkeit der gastrischen Drüsen", so der Experte. Eine Infektion mit Helicobacter pylori führt dazu, dass die Produktion von R-spondin ansteigt und die Stammzellaktivität zunimmt. Es ist zu vermuten, dass eine langfristig erhöhte Stammzellenteilung die Krebsentstehung direkt begünstigt.

Lebenslange Infektion

Für die Studie haben die Forscher unter anderem die Stammzellen des Magens im Tiermodell charakterisiert. Mittels sensitiver neuer Techniken konnten Moleküle im Magengewebe in hoher Auflösung dargestellt werden. So ist es gelungen, Moleküle, die die Stammzellen regulieren, abzubilden und ihre räumliche Nähe zum Stammzellbereich zu zeigen.

Zusätzlich entwickelten die Wissenschafter ein Modell der Infektion mit Helicobacter pylori, das die ersten Vorstufen der Krebsentwicklung im Menschen nachempfindet. Weiters machten sie Experimente mittels sogenannter Organoide. Hierbei handelt es sich um Zellkulturen, die aus menschlichen und tierischen Stammzellen direkt aus dem Magengewebe gewonnen wurden.

Das Ergebnis ihrer Forschungen: "Helicobacter pylori verursacht eine lebenslange Infektion und steigert die Anzahl der langlebigen Zellen mit Stammzellpotenzial in den Drüsen des Magens. Die Geschwindigkeit der Stammzellteilung ist erhöht, was letztlich in pathologischen Veränderungen des Epithels resultiert", resümiert Sigal. (red, 17.8.2017)