Sarahah wird als neueste Mobbing-App unter Teenagern verteufelt, aber Angst scheinen vor allem die Erwachsenen zu haben.

Foto: Sarahah

Eine App, über die man anonym Nachrichten erhält, auf die man nicht antworten kann. Und bei denen man nicht sieht, von wem sie kommen. Das soll derzeit der letzte Schrei bei Teenagern sein. Die App heißt Sarahah ("Ehrlichkeit" auf Arabisch) und stürmt gerade die App-Charts. Was steckt dahinter und wieso sollte irgendjemand an so einer App interessiert sein?

Nach dem Motto "Friss oder stirb"

"Sarahah hilft Dir, deine Stärken und Möglichkeiten zur Verbesserung zu entdecken, indem man ehrliches Feedback von Mitarbeitern und Freunden in privater Atmosphäre erhält". So erklären die Macher der App die Intention dahinter. Und so funktioniert sie: In der App lässt sich ein Profil erstellen, das man über soziale Netzwerke teilen kann. Über einen Link nach dem Schema Nutzername.Sarahah.com kann dann jede beliebige Person dem Nutzer eine Nachricht hinterlassen. Dafür ist kein Account notwendig.

Als Nutzer kann man allerdings die Einschränkung treffen, dass man nur Nachrichten von anderen Sarahah-Mitgliedern erhält. Wer eine Nachricht geschickt hat, sieht man von Haus aus nicht. Auch kann man derzeit nicht darauf antworten – die Entwickler prüfen allerdings, ob sie das in Zukunft ermöglichen. Das Ganze läuft nach dem Motto: "Friss oder stirb".

Über zehn Millionen Mal heruntergeladen

Der STANDARD hat die App getestet. Die Bedienung ist einfach. Den Link auf Twitter geteilt, trudeln nach kurzer Zeit auch schon erste Meldungen für die Autorin ein. Großteils sind es nette Dinge und Komplimente. Dazwischen ein paar neutrale Meldungen, Nonsense, Spam und eine Hassbotschaft. Das überrascht, wird die App doch derzeit von vielen Medien als neues Schreckgespenst des anonymen Mobbings verteufelt. Als "grausame Mobbing-Plattform" wird sie bezeichnet, vor der Kinder und Jugendliche gewarnt werden sollten.

Vor allem bei Jugendlichen soll die App des saudischen Programmierers Zain al-Abidin Tawfiq hoch im Kurs stehen, um sich gegenseitig Beschimpfungen um die Ohren zu werfen. Über zehn Millionen Mal wurde sie schon heruntergeladen und führt in einigen Ländern die Charts der kostenlosen Apps an. Dass sie für anonyme Beschimpfungen und Pöbeleien missbraucht wird, ist nicht ganz von der Hand zu weisen. Im Google Play-Store hat sie tausende negative Bewertungen deswegen.

Von Erwachsenen überschätzt

Apps und Dienste, über die man anonyme Botschaften schicken kann, sind allerdings nichts neues, Warnungen davor gibt es immer wieder. Zumindest bei österreichischen Teenagern scheint Sarahah aber kein Thema zu sein, sagt Barbara Buchegger von der Initiative Safer Internet zum STANDARD. Und auch bei Rat auf Draht hat man noch keine Anfragen oder Beschwerden zu der App erhalten.

Laut Buchegger sind es eher die Erwachsenen, die solche Apps überschätzen und Befürchtungen haben, dass es dadurch zu mehr Mobbing kommen kann. Mobbing existiere so oder so, auf die Plattform bzw. App komme es dabei weniger an. In Österreich findet es vor allem über Whatsapp-Gruppen statt. Die vermeintliche Anonymität von Apps wie Sarahah oder auch Tellonym übe keinen großen Reiz auf Jugendliche aus, wie die Erfahrung zeige.

Mobbing nicht als Kinderei abtun

Bei Rat auf Draht rät man zum Thema Mobbing unter Jugendlichen: "Unbedingt wichtig ist für Eltern und Bezugspersonen, ihren Kindern zu glauben und sie ernst zu nehmen, wenn diese über Mobbing berichten." Die Betroffenen würden sich oft sehr schämen. Wenn Erwachsene sie nicht ernst nehmen, hinterlasse das ein tiefes Misstrauen und Gefühl der Hilflosigkeit. "Generell ist Eltern immer zu empfehlen, gemeinsam mit ihren Kindern einen sinnvollen Umgang mit Online-Medien zu erlernen, ohne dabei überängstlich zu sein."

Und Erwachsene? Müssen selbst entscheiden, ob sie es für richtig halten, Feedback unter Kollegen über eine anonyme App zu versenden. (Birgit Riegler, 20.8.2017)