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Charlottesville, Virginia, Ende vergangener Woche: Ein Anhänger der Alt-Right-Bewegung droht Gegendemonstranten mit Gewalt – durch eine Geste, die einen Schnitt durch die Kehle darstellen soll.

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McIntire Park in Charlottesville: Auf Richard Spencer geht der Begriff "Alt Right" zurück.

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David Duke, ehemaliger Chef des Ku-Klux-Klan.

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McIntire Park, eine Grünfläche am Rand von Charlottesville. Richard Spencer hat sich in den Schatten eines Baumes gestellt, die Augen gerötet als Folge des Pfeffersprays, sein weißes Hemd ist verschwitzt. In einem anderen Park der Stadt, beim Denkmal des Bürgerkriegsgenerals Robert E. Lee, musste er zwei Stunden zuvor eine Kundgebung abbrechen, nachdem seine Anhänger Gewalt provoziert hatten. Spencer schimpft über die Polizei, er wettert gegen die "kleinen Kriecher" im Rathaus von Charlottesville, gegen Bürgermeister Michael Signer.

"Little Mayor Signer", so nennt er ihn. "Signer? Oder Singer? Wie spricht man ihn noch mal aus, den Namen dieses kleinen Fieslings?" Zwei Dutzend seiner Gefolgsleute geben die Antwort im Chor. "Jude!", schreien sie, was Spencer mit zufriedenem Lächeln quittiert.

Im Stil eines kühlen Analytikers

Zwei Tage später, in seinem Büro in Alexandria, einem Vorort von Washington, lädt er zur Pressekonferenz. Neben ihm stapeln sich Bücher, offenbar extra aufgeschichtet als Kulisse. Spencer – Krawatte, dunkles Sakko, Einstecktuch – spricht im Stil eines kühlen Analytikers über den US-Präsidenten. "Ist Donald Trump ein Grund, warum die Alt-Right-Bewegung so weit gekommen ist? Kein Zweifel, das ist er."

Trump, sagt er, habe im Wahlkampf weniger von den Themen gesprochen, die konservative Kandidaten normalerweise in den Vordergrund stellen: Steuersenkungen, Abbau von Regulierung. Sein Thema sei die Einwanderung gewesen. "Zwischen ihm und uns" habe es auf eine Weise geklickt, wie es mit herkömmlichen Konservativen undenkbar gewesen wäre. "America first, ja, wir sind auf dieser Welle geritten", doziert Spencer.

"Akademischer Rassist"

Es liegt wohl auch an Spencers Erscheinung, dass das Southern Poverty Law Center, eine Bürgerrechtsinstitution, den 39-Jährigen als "akademischen Rassisten" charakterisiert. Auf ihn geht der verharmlosende Begriff "Alt-Right-Bewegung" zurück. Er hat in Charlottesville studiert, ein Doktoratsstudium an der Duke-Universität (Europäische Ideengeschichte) brach er später ab, um in der Redaktion des American Conservative anzufangen. 2011 übernahm er die Leitung des National Policy Institute, eines rechtsnationalistischen Thinktanks.

Weiße Amerikaner, lautet seine zentrale These, gerieten zusehends ins Hintertreffen, während die europäisch geprägte Kultur der USA zerstört werde. "Sie begreifen auf schmerzliche Weise, dass ihre Enkel in einem fremden und feindlichen Land leben werden, sofern nichts Dramatisches geschieht", schrieb er in einer Kolumne. Er träume von einem ethnisch reinen Staatswesen, das für Europäer zum Sammelpunkt werden könne. Dass dies möglich sei, habe die Friedenskonferenz nach dem Ersten Weltkrieg gezeigt, als neue Nationalstaaten entstanden – in Spencers Worten ein Beispiel für "erfolgreiche ethnische Umverteilung".

KKK-Chef

David Duke, ebenfalls in Charlottesville präsent, war Anführer des Ku-Klux-Klans – jenes Geheimbunds, der nach der Bürgerkriegsniederlage der Südstaaten und der Sklavenbefreiung gegründet wurde. Bereits Anfang der 1970er-Jahre, damals Student in Baton Rouge, ließ er Sympathien für die Nazis erkennen. Hatte sich der KKK-Hass zuvor in erster Linie gegen Afroamerikaner gerichtet, verschob Duke den Fokus und nahm vor allem Juden ins Visier.

1989 wurde er in die Abgeordnetenkammer Louisianas gewählt: Er war als ein Republikaner angetreten und hatte den Eindruck erweckt, als wolle er sich von seiner KKK-Vergangenheit distanzieren. 1990 kandidierte er erfolglos für den US-Senat, 2006 nahm er an einer Konferenz von Holocaust-Leugnern in Teheran teil. Im vergangenen Jahr sorgte er für Aufsehen, als er Trump zur Wahl empfahl und die Hörer seiner Radiosendung aufforderte, sich als Freiwillige in den Dienst der Kampagne des Baulöwen zu stellen. Statt sich von Duke zu distanzieren, gab Trump zunächst vor, den Mann nicht zu kennen.

"Kultureller Bürgerkrieg"

Jason Kessler, Organisator der Kundgebung "Vereint die Rechte" in Charlottesville, begann Ende 2015 zu bloggen. Im Mai wurde er wegen offen rassistischer Ansichten von der Redaktion des konservativen Daily Caller entlassen. Werden die Denkmäler von Südstaatengenerälen abgerissen, so spricht er vom "Beginn eines kulturellen Bürgerkriegs".

Matthew Heimbach, einst Geschichtsstudent an der Towson University in Maryland, ist besessen von der Idee der Rassentrennung. Schwarze Amerikaner, sagte er einem Dokumentarfilmer, könnten im Süden der USA oder in Detroit ihr eigenes "Heimatland" gründen; man könne friedlich koexistieren. Heimbach leitet die Traditionalist Worker Party, die sich Hitlers Nationalsozialisten zum Vorbild nimmt.

Christopher Cantwell gibt der Alt-Right-Bewegung mit seiner Radio-Talkshow Radical Agenda,gesendet aus seiner Wohnung in Keene, New Hampshire, an drei Tagen pro Woche eine Plattform. 2009 bewarb er sich als Vertreter der Libertären, nach deren Überzeugung die Aufgaben des Staates auf das Allernotwendigste zu beschränken sind, um einen Sitz im US-Repräsentantenhaus. Heute spricht er unverhohlen von einem Rassenkrieg. (Frank Herrmann aus Charlottesville, 18.8.2017)