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Jüngst am Strand von Barcelona: Proteste gegen den Massentourismus mehren sich. Im Stadtzentrum wurden Urlauber mit Eiern beworfen. Spanische Tourismusverbände pochen seit langem auf einen markanten Wandel der Branche,

Foto: Reuters

"Das ist kein Tourismus, das ist eine Invasion", "Tourists go home!", "Der Tourismus tötet unsere Bezirke", so lauten die Parolen, in der Nähe von Sehenswürdigkeiten an Wände gesprayt oder auf Transparente gemalt bei Kofferdemonstrationen von Nachbarschaftsvereinen, wie jüngst im andalusischen Málaga. Auf Mallorca und in Barcelona machen jene seit Monaten gegen die sommerliche Massenmigration der Urlauber mobil.

Rauchbomben und Konfetti

Mit medialen Guerilla-Protestaktionen gießt Arran (kat. "Wurzel"), der Parteinachwuchs der katalanisch-sezessionistischen antikapitalistischen CUP (Candidatura d'Unitat Popular), nun Feuer in eine längst eskalierte Debatte: Sei es mit bengalischen Feuern, Konfetti und rosa Rauchbomben im Jachthafen von Palma de Mallorca, Abziehbildern auf 1000 Mietwägen der beliebten Urlaubsinsel, mit aufgestochenen Citybike-Reifen oder Anti-Touristen-Graffitis auf Tourbussen, Hotelfassaden und Hauswänden in Barcelonas Trendbezirken. Dort wurden nun auch Urlauber mit Eiern beworfen. Selbst im Baskenland brodeln, von den Linkssezessionisten unterstützt, Proteste gegen den Tourismus. In San Sebastián war am 17. August eine Großdemonstration angesetzt, wobei sich wie in Katalonien der Unabhängigkeitswunsch mit Widerstand gegen soziale Missstände mischt.

Von den führenden Medien des Landes als "Tourismusphobie" tituliert, stellt der regierende Partido Popular unter Premier Mariano Rajoy Arran als "hirnlose Extremisten" dar. "Wir müssen Touristen verwöhnen, weil sie extrem viele Arbeitsplätze sichern", unterstrich Rajoy. Arran-Sprecherin Mar Ampurdanès sieht sich hingegen wie ihre 500 Mitstreiter "absolut im Recht, gegen die Tourismusblase vorzugehen". Wie sie betont, existierten bereits über 50 Anzeigen gegen das Kollektiv. "Uns bereitet eine Familie, die wegen Airbnb die Wohnung verliert mehr Sorge als ein Tourist, der sich wegen uns erschreckt." Mit Tourismusphobie hätten die Proteste nichts zu tun. "Das ist eine Strategie, um die gesellschaftliche Debatte von unseren Anliegen abzulenken", sagt Ampurdanès.

Knapper Wohnraum

Denn der Trend zu Onlineferienwohnungsbörsen wie Airbnb verknappt den Wohnraum. Allein das Zentrum Málagas an der Costa del Sol verlor innerhalb der vergangenen 14 Jahre 10.000 Bewohner. Nur noch 5000 Malagueños leben hier. 1700 Wohnungen werden auf Onlineplattformen feilgeboten, fast die Hälfte davon wie in anderen Städten Spaniens illegal. Eine 30-Quadratmeter-Wohnung kostet über 600 Euro – und ist mit dem in der Gastronomie üblichen Mindestlohn von 850 Euro im Monat unerschwinglich. Im Post-Krisen-Spanien können sich zudem knapp 40 Prozent der Bürger nicht einmal eine Woche Urlaub pro Jahr leisten, erhob das INE-Statistikinstitut.

"Das Schlimmste sind die prekäre Arbeit und die permanente Unsicherheit. Wer in der Gastronomie arbeitet, kann sich kein würdevolles Leben leisten", sagt Fran Pérez Sánchez (41), der als Kellner in einem beliebten vegetarischen Restaurant im Zentrum Málagas arbeitet. Wegen der großen Zahl an Touristen strich sein Chef die Siesta. Angemeldet ist er laut Vertrag für 20 Stunden die Woche, stets sind es über 40, die er leistet. "Das ist so Usus", sagt er, "und schlägt sich stark in der Arbeitslosen- und Pensionsversicherung nieder." Selten verdiene er mehr als 900 Euro im Monat, "das Trinkgeld mit einberechnet". Für die Miete muss er über 600 Euro berappen. Folglich zeigt er Sympathien für die Proteste gegen die negativen Auswirkungen des Tourismus: "Nicht die Urlauber sind das Feindbild. Es gilt, das Versagen der Politik zu kritisieren."

Sicherheitspersonal im Streik

Geringe Löhne und Überforderung wegen der Urlaubermassen, die Barcelonas Flughafen El Prat passieren, sind auch der Grund, warum seit Montag das dortige private Sicherheitspersonal unbefristet streikt. Sie fordern 350 Euro mehr pro Monat und eine Aufstockung der Belegschaft. Damit es nicht wieder zu langen Warteschlangen kommt und um die Streikenden unter Druck zu setzen, entsandte die Zentralregierung in Madrid kurzerhand die Zivilgarde an die Sicherheitskontrollen.

Tourismusverbände pochen auf einen markanten Wandel des Tourismusmodells. "Mallorcas Nächtigungslimit geht in die richtige Richtung", sagt Exceltur-Vizepräsident José Luis Zoreda: "Auch höhere Preise können als Regulativ wirken." Mehr Qualität statt Quantität solle die Devise sein, ist auch Antonio Catalán Díaz, CEO der Hotelkette AC Hotels, überzeugt, denn die Pro-Kopf-Ausgaben pro Urlauber sinken. "Wir verschenken unser Produkt", kritisiert Catalán, der die Mitschuld bei großen Pauschaltouristikern sieht, die das Preisniveau teils auf 50 Euro pro Tag für All-inclusive-Aufenthalte drücken. (Jan Marot, 17.8.2017)