Tegel platzt aus allen Nähten. Aber die Berliner mögen den Flughafen, weil er gut erreichbar ist und die Wege dort kurz sind.

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Die Berliner lieben Tegel. Der Flughafen im Norden ist leicht erreichbar, die Wege dort selbst sind kurz. Das Beste: Der Airport ist in Betrieb und funktioniert – wenngleich an manchen Tagen zu spüren ist, dass er aus allen Nähten platzt. Doch lange Schlangen vor dem Check-in nimmt man ebenso in Kauf wie Massenandrang vor der Sicherheitskontrolle.

Am BER, dem legendären Pannenairport, über den die ganze Welt lacht, geht ja bekanntlich immer noch nichts. Dieser Zustand wird wohl noch länger andauern. Vor kurzem berichtete "Bild am Sonntag", dass die Inbetriebnahme erst im Herbst 2019 möglich sei. Sie beruft sich auf vertrauliche Projektunterlagen. Auch Berlins Bürgermeister Michael Müller (SPD) hatte jüngst anklingen lassen, dass der erste Flieger vielleicht erst Anfang 2019 landen könnte, und erklärte: "Glauben Sie mir, lustig finde ich das nicht."

Problem Wasserrohre

Zur Erinnerung: Eigentlich hätte der BER 2011 eröffnet werden sollen. Aktuell plagen ihn Wasserrohre für die Sprinkleranlage des Brandschutzsystems. Diese sind zu dünn und müssen ausgetauscht werden. Allmählich bekommt ein Satz neue Bedeutung, der oftmals von Berlinern ausgesprochen wurde, wenn wieder mal eine Hiobsbotschaft vom BER eintrudelte: "Dann lassen wir halt Tegel offen."

Vorgesehen ist das nicht. Als Berlin, Brandenburg und der Bund den neuen Hauptstadtflughafen konzipierten, wurde 1996 festgelegt, dass Tegel schließen muss, wenn der BER in Betrieb geht. Doch abgesehen davon, dass er einfach nicht fertig wird, hat der BER noch einen gravierenden Schönheitsfehler: Er wird schon bei seiner Eröffnung – wann immer diese stattfinden wird – zu klein sein, denn er ist für 27 Millionen Passagiere jährlich konzipiert. Derzeit fertigen die beiden Flughäfen Tegel und Schönefeld (der alte DDR-Flughafen, der dann im BER aufgehen soll) 33 Millionen Passagiere jährlich ab. Bis 2040 sollen es 55 Millionen insgesamt in Berlin sein.

Volksentscheid im September

Mehr als 200.000 Berliner sind ohnehin der Meinung, Tegel sollte offenbleiben. Mit ihrer Unterschrift haben sie einen Volksentscheid möglich gemacht, der am 24. September, dem Tag der Bundestagswahl, stattfinden wird. Maßgeblich initiiert wurde dieser von der FDP. Deren Fraktionschef Sebastian Czaja sagt: "Die Bürger dieser Stadt haben mehr politischen Verstand als ihr Senat."

Auch die Berliner CDU, die bis vor kurzem noch für die Schließung war, ist nun offen für einen Weiterbetrieb. Und Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) erklärt mit Verweis auf Paris und London: "Eine Hauptstadt mit zwei Flughäfen ist gut vorstellbar." Zwar hat der Entscheid keine bindende Wirkung. Doch Müller erklärte bereits, dass er ihn ernst nehmen werde, wenngleich er einen Weiterbetrieb von Tegel für "abenteuerlich" hält.

Denn die gute Erreichbarkeit des Airports hat eine Kehrseite: Der Flughafen liegt in dichtbebautem Gebiet, zehntausende Anwohner rechnen seit zwanzig Jahren damit, dass sie eines Tages von Lärm und Dreck befreit werden. Und es müssten zunächst 1,1 Milliarden Euro investiert werden, um den in die Jahre gekommenen Flughafen zu modernisieren. Aber die Betreiber denken nun ernsthaft darüber nach. (Birgit Baumann aus Berlin, 18.8.2017)