+++ Kurzüberblick: Was bisher bekannt ist +++

Barcelona/Cambrils/Wien – Jetzt hat es auch Spanien getroffen. Am Donnerstagnachmittag, um etwa 17 Uhr Ortszeit, raste in Barcelona ein Lieferwagen in eine Menschenmenge. Dabei wurden mindestens 13 Menschen getötet und rund 100 verletzt.

Kurz nach Mitternacht konnte die katalanische Polizei zudem in Cambrils, einem Küstenort rund 100 Kilometer südlich von Barcelona, dann bei einem weiteren Attentat offenbar Schlimmeres verhindern: Sie tötete – wie sie auf Twitter bestätigte – fünf mutmaßliche Attentäter, die mit ihrem Auto bereits sechs Personen überfahren hatten. Sie sollen Sprengstoffgürtel getragen haben. Ob diese funktionsfähig waren oder ob es sich um Attrappen handelte, konnte die Polizei noch nicht sagen.

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Ein Polizist nahe dem abgesperrten Tatort in Cambrils.
Foto: Stringer/Reuters

Bei dem Einsatz in Cambrils wurden sieben Menschen verletzt, zwei davon schwer, wie der katalanische Zivilschutz auf Twitter schrieb. Unter den Verletzten war auch ein Polizist. Nach spanischen Medienangaben seien die Täter in einem Wagen von der Polizei kontrolliert worden. Als dieser nach einer Verfolgung umgekippt sei, seien sie geflohen und dann niedergeschossen worden. Zuvor hätten sie noch Menschen angefahren. Vier der mutmaßlichen Attentäter waren sofort tot, ein fünfter erlag später seinen Verletzungen.

ORF-Korrespondent Manolas Beitrag über die neuesten Erkenntnisse in der ZiB24.
ORF

Zwischen dem Attentat auf der Flaniermeile La Rambla in Barcelona und den getöteten Männern in Cambrils bestehe wahrscheinlich ein Zusammenhang, erklärte die Polizei, ohne Details zu nennen.

Die Polizei vermutet auch einen Zusammenhang mit einer Explosion in Alcanar am Mittwoch, bei der eine Person ums Leben gekommen ist und sieben weitere verletzt wurden, wie der katalanische Polizeichef Josep Lluís Trapero erklärte. Spanische Medien sind bisher davon ausgegangen, dass es sich um eine Gasexplosion gehandelt hat. Die Behörden sehen nun aber eine Verbindung zu dem Anschlag am Donnerstag.

Betroffenheit bei Besuchern und Anrainern nach dem Attentat im Herzen Barcelonas.
Foto: AFP PHOTO / PAU BARRENA

Chaotische Lage in Barcelona

Der Anschlag in der katalanischen Hauptstadt – dessen Urheberschaft die Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS) für sich beanspruchte – fand am Donnerstagnachmittag auf der bei Touristen und Einheimischen beliebten Flaniermeile Las Ramblas (auch die Singularform La Rambla ist gebräuchlich) statt, die die Stadt Richtung Hafen durchzieht.

Die ersten Berichte über die Tat waren verwirrend und widersprüchlich: Zunächst hatte es geheißen, im Lieferwagen, der die Menschen überrollt hatte, sei ein Täter gesessen, später war von zweien die Rede. Sie seien anschließend zu Fuß geflohen. Eine Geiselnahme im Zentrum Barcelonas, über die spanische Medien zunächst berichteten, fand nie statt.

Zwei Festnahmen

Klar ist: Bisher wurden drei Personen im Zusammenhang mit der Tat festgenommen. Ein spanischer Staatsbürger im rund 100 Kilometer entfernten Alcanar, ein Marokkaner und ein weiterer Mann in der Stadt Ripoll nördlich von Barcelona. Bei den Verdächtigen soll es sich aber nicht um den Fahrer des Tatfahrzeuges handeln, der noch flüchtig ist.

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Auch am Freitagmorgen patrouillieren Polizisten in der Nähe des Anschlagsorts in Barcelona.
Foto: AP/Manu Fernandez

Das Tatfahrzeug wurde – so erste Ermittlungsergebnisse – in der spanischen Exklave Melilla an der marokkanischen Nordküste angemietet. In dem weißen Lieferwagen fand die Polizei einen spanischen Ausweis, ausgestellt auf einen Mann mit nordafrikanischem Namen, der einer der beiden Festgenommenen ist. Er soll sich gestellt haben und behauptet, seine Ausweispapiere seien von seinem Bruder gestohlen worden.

Ein weiterer Lieferwagen wurde gemeinsam mit dem Tatfahrzeug gemietet. Er wurde 80 Kilometer entfernt von Barcelona in der Stadt Vic gefunden.

Analyse von Andreas Pfeifer in der ZiB um 8 Uhr.
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Zudem wurde in der Stadt Sant Just Desvern westlich von Barcelona ein Auto gefunden, das eine Polizeisperre in der Innenstadt durchbrochen hatte. Am Beifahrersitz fand die Polizei einen Toten, der nach Medienberichten erstochen worden sein soll. Denkbar scheint, dass der Tatfahrer von Las Ramblas das Auto für seine Flucht gekapert hat.

Zickzack durch Las Ramblas

Augenzeugen schilderten, wie das Tatfahrzeug einen halben Kilometer die Ramblas entlanggefahren sei, und zwar auf der breiten Fußgängerzone, die in der Mitte der Straße liegt. Zwischen Kiosken und Gartenlokalen soll es in Schlangenlinie gefahren sein und dabei alles überfahren haben, was ihm in den Weg kam. Erst vor dem Liceu-Theater kam das Fahrzeug zum Stehen. Zum Zeitpunkt des Anschlags befanden sich tausende Einheimische, aber vor allem Touristen auf der Flaniermeile. Drei Deutsche und eine Belgierin sind unter den Todesopfern, auch Franzosen und Australier sind betroffen. Leicht verletzt wurde laut Auskunft des Außenministeriums eine Österreicherin. Unter den Todesopfern sollen aber keine Österreicher sein.

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Der Tatort wurde großräumig abgesperrt.
Foto: REUTERS/Stringer

Mehrere Überlebende berichteten von zahlreichen Menschen, die überfahren worden seien. Bilder zeigten einen weißen Lieferwagen, dessen Front eingedrückt war. Der Kühler und die Motorhaube wurden bei der Fahrt völlig zerstört. Videos in den sozialen Netzwerken zeigten schreckliche Szenen von blutüberströmten Menschen mit schmerzverzerrten Gesichtern – und von Passanten, die den Verletzten ohne Umschweife halfen.

Die Polizei forderte die Bevölkerung vorerst auf, die Altstadt zu meiden. U-Bahn und Nahverkehrszüge fuhren die innerstädtischen Haltestellen nicht mehr an. Seit Freitagfrüh ist ein Großteil der Ramblas aber wieder für die Öffentlichkeit zugänglich.

Anrainer und Touristen flüchteten vom Tatort.
Foto: AFP

Die Spitäler in Barcelona forderten die Bevölkerung zum Blutspenden auf. Alle kulturellen Aktivitäten wurden abgesagt. Für Katalonien wurde eine dreitägige Staatstrauer ausgerufen. Auch in der spanischen Hauptstadt Madrid wurden Checkpoints eingerichtet.

Nicht überraschend

Zumindest für die spanischen und katalanischen Behörden kam die Tat nicht völlig überraschend. Laut "El Periódico" soll der US-amerikanische Geheimdienst CIA bereits vor zwei Monaten gewarnt haben, dass Barcelona zum Ziel radikaler Islamisten werden könnte. Das – und auch die Tatsache, dass es einen weiteren Anschlagsversuch 100 Kilometer entfernt gegeben hat – spricht für in größeres, geplantes Attentat und gegen eine jener Taten Einzelner, die zuletzt ohne Koordination und nur auf Basis von Aufrufen des IS ausgeführt wurden.

Das Attentat trifft Katalonien in einem kritischen Augenblick. Die Autonomieregierung bereitet für den 1. Oktober ein Votum über die Unabhängigkeit der Region vor, das Madrid verbieten will.

Nach Einschätzung des Innenministeriums könnte die Zahl der Todesopfer des Anschlags in Barcelona weiter steigen. Rund 100 wurden verletzt, einige davon sehr schwer, sagte der Innenminister der katalanischen Regionalregierung, Joaquim Forn. Es sollen nach Angaben des spanischen Zivilschutzes Angehörige von 18 Nationen betroffen sein. (red, rw, 18.8.2017)