Bild nicht mehr verfügbar.

"Katalonien, Ort des Friedens" steht auf einer Botschaft in Barcelona. Die Anschlägen zeigen, dass die Polizei der Region auch unabhängig von Madrid funktioniert. Sie zeigen aber auch, wie groß die Solidarität in restlichen Spanien ist.

Foto: AP / Manu Fernandez

Nizza, Berlin, London und jetzt Barcelona. Fahrzeuge rasen in Menschenmengen und hinterlassen zahlreiche Tote und Verletzte. In Barcelona kamen am Donnerstagnachmittag mindestens 13 Menschen ums Leben, über 130 wurden zum Teil schwer verletzt. Wenige Stunden später wiederholte sich das Schreckensszenario fast in Cambrils, einem Ort am katalanischen Mittelmeer. Dort wurden sieben Menschen verletzt, eine Person getötet. Die fünf Angreifer wurden von der Polizei erschossen.

Die Anschläge mit Fahrzeugen in Nizza, Berlin, London und Katalonien gleichen sich, und doch gibt es einen ganz entscheidenden Unterschied. Die radikalen Islamisten, ob von Al-Kaida oder dem "Islamischen Staat" (IS), wählen in Spanien ihre Ziele und den Zeitpunkt nicht von ungefähr. Spanien ist "ihr" Al-Andalus, das Land des goldenen Zeitalters des Islam. Sie kennen sich mit spanischer Innenpolitik aus und mischen sich da auf ihre blutige Art und Weise ein. Das war einst am 11. März 2004, als mehrere Bomben in Madrider Nahverkehrszügen 192 Todesopfer forderten, so. Und auch jetzt wieder in Katalonien ist es der Fall. Spanien ist für die Radikalen ein ganz besonderer Ort.

Der Zeitpunkt ist kein Zufall

2004 blieben nur wenige Tage bis zu den Parlamentswahlen. Die Anschlagsserie von Madrid brachte die konservative Regierung zu Fall, die Sozialisten unter José Luis Rodríguez Zapatero gewannen überraschend. Der konservative José María Aznar hatte an der Seite der USA und Großbritanniens Truppen in den Irak geschickt, Zapatero zog sie ab.

Jetzt steht wieder ein Urnengang an. Die Autonomieregierung in Katalonien bereitet für den 1. Oktober gegen den Widerstand der Zentralregierung in Madrid eine Volksabstimmung über die Unabhängigkeit vor. Der Zeitpunkt für die Attentate von Barcelona und Cambrils wurde kaum zufällig gewählt.

Große Solidarität

Stellt sich die Frage, wie die Schreckensnacht den Urnengang beeinflusst. Was feststeht: Die Autonomieregierung bewies im Umgang mit den Attentaten, dass Katalonien tatsächlich als Land funktionieren kann. Die Autonomiepolizei, die die Ermittlungen führt, zeigte sich äußerst effektiv. Sie kamen den Attentätern schnell auf die Spur, nur wenige Stunden nach der Terrorfahrt wurden erste Verdächtige festgenommen, ein Fluchtfahrzeug gefunden und in Cambrils noch Schlimmeres verhindert. Und all das in eigener Regie. Zweifelsohne zeigte dieser Einsatz: Ein unabhängiges Katalonien ist möglich.

Allerdings sollten die Katalanen eines nicht vergessen. Die Solidarität im restlichen Spanien ist enorm. Überall werden die Menschen heute in Solidarität für Schweigeminuten auf die Straße gehen. Die Spanier, egal welcher Kultur und Sprache, sind geschockt, leiden mit. Sie wollen ihr Land mit Katalonien, und das nicht aus dumpfem spanischem Nationalismus heraus, wie ihn die Madrider Regierung unter Mariano Rajoy nur allzu oft an den Tag legt, sondern aus tiefer Sympathie. Es wäre einen Versuch wert, ein Spanien zu schaffen, in dem alle Platz haben und gemeinsam gegen die Gefahren der Zukunft angehen. (Reiner Wandler, 18.8.2017)