Die dänische Insel Bornholm liegt klimabegünstigt an einer Wetterscheide in der Ostsee. Von den teilweise mediterranen Bedingungen profitieren Ferienhäusler und Landwirte.

Foto: Getty Images/iStockphoto/cmfotoworks

Der Däne Jesper Paulsen macht auf dem Schweinehof des Vaters Wein.

Foto: Helge Sobik
Foto: Getty Images/iStockphoto/cmfotoworks

Bornholm gilt als sonnenreichste dänische Insel.

Foto: Getty Images/iStockphoto/cmfotoworks

Campingplatz auf Bornholm: Das milde Klima zieht im Hochsommer viele Urlauber an.

Foto: Getty Images/iStockphoto/BlackAperture
Foto: Getty Images/iStockphoto/greg801

Zweimal im Jahr ziehen Scharen von Wildgänsen im Tiefflug über die Weinreben hinweg, die an Spalieren ranken. Manchmal sind Möwen zu Besuch. Die Trauben stehlen die Vögel nicht, sie machen nur kurz Rast und hocken auf Zaunpfählen in der Sonne. Manchmal ist es, als ob sie den Kopf schüttelten, als wollten sie kurz vor dem Rückflug in Richtung der Klippen von Allinge, des Strands von Dueodde oder des Fischereihafens von Nexö sagen: "So was? Hier? Das kann doch nicht sein! Ist doch verrückt, mitten in der Ostsee Wein anzubauen! Auf Bornholm!"

Winzer Jesper Paulsen kennt das schon. Weniger von den Möwen, mehr von den Menschen, die ihn auf seinem Weingut bei Aakirkeby in der Inselmitte besuchen kommen. Er erklärt dann in aller Ruhe, erzählt seine Geschichte, lässt sich nicht beirren – und er lässt sie probieren: von seinem dänischen Inselwein.

Zwanzig Tonnen Trauben erntet er auf seinen 2,9 Hektar Anbaufläche in guten Jahren – genug für 12.000 Flaschen Wein, die er in seiner eigenen Kellerei keltert. Der blonde Hüne mit dem Karohemd lacht: "Ich kann jeden verstehen, der sich wundert. Mir ginge es nicht anders. Aber ich hatte einfach Lust darauf, das zu machen, und habe die ganze Zeit daran geglaubt."

Feigen in der Ostsee

Die Voraussetzungen sind gar nicht schlecht, denn Bornholm gilt als sonnenreichste dänische Insel, liegt klimabegünstigt an einer Wetterscheide im äußersten Osten des Königreichs. Sogar Feigen gedeihen hier. Die Sommer sind sonnig, die Temperaturen angenehm, die Luft ist beizeiten mediterran, fast immer weht ein leichter Wind. Und wenn es drum herum auf See regnet, ist es auf der Insel, die der polnischen Küste näherliegt als der dänischen Hauptstadt, trocken und schön.

Deshalb kommen vor allem viele Ferienhausurlauber, deswegen sind die Campingplätze bis September voll, die Fähren hierher sowieso. Deshalb ist es im Hochsommer schwierig, einen Parkplatz in der Nähe des Dünenstrandes von Dueodde zu bekommen. Und aus demselben Grund ist es voll auf den Wiesen rund um die Fischräuchereien wie jene von Hasle, wo Gäste die frisch aus dem Rauch gezogenen und noch warmen sogenannten Bücklinge wahlweise auf Holztischen oder auf einer mitgebrachten Picknickdecke im Gras verspeisen können.

Und dann gibt es da noch ein Musikfestival mit vielen Tausend Besuchern in der riesigen mittelalterlichen Burgruine Hammershus. Das alles und das ungewöhnlich schöne Wetter sind schuld am sommerlichen Boom – und daran, dass auf der Insel auch der Wein gedeiht.

Zweimal Hochsaison

Jesper Paulsen hat zweimal im Jahr Hochsaison: Mitte Oktober, wenn er mit hundert Erntehelfern seine Weintrauben pflückt und sie alle nach ein paar Stunden damit fertig sind und zusammen feiern können – und im Sommer, wenn die Urlauber vorbeischauen, das Gut besichtigen, etwas essen und eine Weinverkostung mitmachen.

"Den Hof", erzählt er, "habe ich von meinem Vater geerbt. Aber ich wollte nach 20 Jahren einfach nicht länger Schweinebauer sein, ich wollte auf dem Land etwas anderes machen. Etwas, was es hier nicht gab und wobei mir unser Klima helfen würde. Etwas, wozu ich im Urlaub in Südfrankreich inspiriert wurde."

Er hat einen langen Atem bewiesen und viel Lehrgeld bezahlt, ehe er herausfand, welche Rebsorte besonders gut mit dem Klima zurechtkommt und satte Erträge abwirft. Einmal hat er komplett umsatteln müssen, alle Weinstöcke wieder ausgegraben und durch die einer anderen Traube ersetzt. Begonnen hat er mit Rondo, einer Traube, die von der Blüte bis zur Reife nur 90 Tage braucht – allerdings auf viel Septembersonne angewiesen ist. Die aber kann keiner garantieren, nicht einmal auf Bornholm. Seit ein paar Jahren setzt er stattdessen unter anderem auf Pinot noir, der von der Blüte bis zur Reife 110 bis 120 Tage braucht, außerdem auf die weiße Oriontraube.

Nach dem Wein der Whiskey

"Es ist wie in einer Ehe", witzelt Paulsen. "Manchmal ist alles von Anfang an perfekt. Und ein anderes Mal stellst du fest, dass du einfach wechseln musst." Jetzt ist er sehr zufrieden mit seiner Entscheidung. Nun ist er auf Kurs mit dem Wein. Und mit dem Whiskey, den er inzwischen auch herstellt. Die Destillerie hat er genau dort errichtet, wo früher die Schweine seines Vaters ihr Quartier hatten – hinterm Souvenirshop, hinter seinem Restaurant und der Terrasse mit dem Blick auf die Reben.

Sein wichtigster Partner auf dem Weingut ist der Wind: "Wir brauchen keine Bienen, um die Blüten zu befruchten. Manche kommen trotzdem. Aber eigentlich erledigen das auf Bornholm die Böen." Es sind dieselben, die in den Sporthäfen mit den Segeln spielen, vor Dueodde den Surfern dabei helfen, über die Wellen zu reiten – und an heißen Hochsommertagen Erfrischung bringen.

Wie Paulsens Wein schmeckt? "Nach Norden", sagt einer, der gerade drei Flaschen gekauft hat und damit zurück ins Ferienhaus will. "Nach Wind und Sonne. Kräftig, herb, irgendwie nach Bornholm", sagt ein anderer. Ob es bessere Weine gibt? "Klar!", sagt Jesper Paulsen. "Aber die haben einen Nachteil: Sie sind nicht von hier." (Helge Sobik, X.8.2017)