Bestandsaufnahme des Leidens: Das Spielfilmdebüt "Ugly" des Filmemachers Juri Rechinsky erzählt von zwei Paaren, von Mutter und Tochter.

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Kitzbühel – Man kann nicht eben behaupten, dass es in Österreich zu wenige Filmfestivals gäbe. Die Anzahl ist mittlerweile auf über zwanzig angewachsen, über die Qualität der dort präsentierten Filme sagt das natürlich noch gar nichts aus, und der Großteil geht ohnehin in Wien über die Bühne. Doch abgesehen vom traditionsreichen Festival des österreichischen Films in Graz, der Diagonale, und dem nicht minder wichtigen Crossing-Europe-Festival in Linz muss man sich in den Bundesländern also schon genauer umschauen, will man fündig werden.

Dabei gibt es neben den mittlerweile renommierteren Terminen wie in Freistadt oder Innsbruck durchaus noch andere ambitionierte Veranstaltungen zu entdecken – zum Beispiel im touristischen Kitzbühel.

Erst zum fünften Mal richten die Organisatoren das Festival im sommerlichen Wintersportort aus und vertrauen bei der Programmierung auf die Neugierde des Publikums. Denn die ausgewählten Arbeiten, mehrheitlich ohne österreichischen Verleih, stellen keineswegs konventionelle Sommerkinoware dar, sondern laden zur Auseinandersetzung ein.

Unheilvoll, verstörend

Im Spielfilmwettbewerb etwa Lamparina da aurora (Dead Leaves) des Brasilianers Frederico Machado, in dem ein älteres Ehepaar auf seiner abgelegenen Farm jede Nacht Besuch von einem jungen Mann bekommt und sich die Bruchstücke der Vergangenheit unheilvoll in die Gegenwart schieben. Oder Ugly des in Wien lebenden Filmemachers Juri Rechinsky, der in seinem kompromisslosen Spielfilmdebüt die Erzählungen zweier Paare aus der Ukraine und Wien, von Tochter und Mutter, zu einer radikalen Bestandsaufnahme des Leidens zusammenführt. In Children of The Night verwebt Andrea De Sica sein italienisches Internatsdrama rund um Eliteschüler mit verstörenden Horrormotiven.

Küssen statt wissen

Doch auch in der Dokumentarfilmschiene warten Entdeckungen: Une jeune fille de 90 ans von Valeria Bruni Tedeschi und Yann Coridian begleitet die Arbeit eines Choreografen in einem Krankenhaus in Ivry-sur-Seine, der polnische Beitrag All These Sleepless Nights von Michal Marczak wiederum zwei junge Männer aus Warschau, die sich von alten Vorbildern entfernen und sich vom Leben – und der sie verfolgenden Kamera – treiben lassen.

Wie allerdings die aus zwei Arbeiten bestehende Retrospektive für den deutschen Regisseur Joseph Vilsmaier zustande gekommen ist, kann man nur ahnen, möchte man aber lieber nicht wissen. Aufregender jedenfalls ein Sondertermin, zu dem man nicht allein ins Kino fahren sollte: Pretty Woman im Autokino am Hahnenkammparkplatz. (Michael Pekler, 18.8.2017)