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Aufnahme von einem Familienessen in der Löwelstraße um 1898: im Vordergrund Konrad, daneben Familienpatriarch Isidor und seine Frau Jenny sowie die zwei Töchter Katharina und Marie (v. li.).

Foto: picturedesk / ÖNB-Bildarchiv / Ferdinand Schmutzer

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Das Bild zeigt (wahrscheinlich) Konrad 1910 beim Volkstanz in Gössl.

Foto: picturedesk / Imagno / Album Konrad Mautner

Im Stadtzentrum von Bad Aussee gibt es ein kleines Trachtengeschäft mit einem großen Namen: "Mautner" steht schlicht über dem Portal – und zumindest allen Einheimischen ist dies sofort ein Begriff, zumindest, was Trachten angeht. "Mautner Handdruck gilt als Geheimtipp für Einzelstücke mit besonderem traditionellen Druck", sagt die heutige Eigentümerin, Martina Reischauer. Sie hat den Betrieb von ihrer Mutter übernommen, die wiederum von der Gründerin, Anna Mautner, die 1930 als Blaudruckerin begonnen hatte.

Dabei steht der Name Mautner für wesentlich mehr als für schön gestaltete und gearbeitete Tracht. Anna und ihr früh verstorbener Ehemann Konrad waren zu Beginn des 20. Jahrhunderts maßgeblich daran beteiligt, dass die Volkskultur des Ausseerlandes erfasst, erforscht und letztlich auch erhalten wurde. Sie taten dies als ökonomisch gut gepolsterte "Zugereiste" um die Jahrhundertwende.

1938, da war Konrad bereits verstorben, musste seine Witwe Anna mit den Kindern Hals über Kopf vor den Nazis fliehen. Ihr hohes Ansehen bei den einfachen Leuten zählte nicht angesichts der Tatsache, dass sie Jüdin war. Als sie nach dem Krieg wieder zurück ins Ausseerland fand, kam sie allein. Ihre Kinder blieben in England und den USA.

Anna Mautner starb 1961 in Bad Aussee, ihre Geschichte haben unter anderem der Historiker Wolfgang Hafer und der ORF-Journalist Lutz Maurer aufgezeichnet.

Religiöse Toleranz

Die Mautners sind ein Beispiel für den ökonomischen Aufstieg, der österreichischen Juden dank der religiösen Toleranz in der k. u. k. Monarchie möglich war. Ihr Schicksal zeigt die verheerenden Folgen des Bankencrashs der 1920er-Jahre und den Vernichtungsfeldzug der Nazis, die Familien, die einst die österreichische Wirtschaft und Kultur wesentlich bereichert hatten, ausraubten, zur Flucht zwangen und ermordeten.

Die Mautners, nicht verwandt mit der Feinkostunternehmerfamilie Mautner Markhof, stammten wie diese aus Böhmen, genau genommen aus Nachod nahe der schlesischen Grenze. 1867 hatte der gelernte Leinen- und Handweber Isaac seinen 15-jährigen Sohn Isidor nach Wien geschickt, um neue Absatzmärkte für die väterliche Fabrik in Schumburg (Böhmen) zu finden.

Textilimperium

Isidor machte seine Sache gut – so gut, dass die "Österreichische Textilwerke Actien-Gesellschaft vormals Isaac Mautner & Sohn" 40 Jahre später ein Imperium mit knapp 23.000 Mitarbeitern, vornehmlich an Standorten in Böhmen, Ungarn, Rumänien und Niederösterreich, war.

Dazu zählten etwa auch die Fabriken in Trumau und Marienthal. Letztere sollte nach ihrem Ende Schauplatz der großen Sozialstudie "Die Arbeitslosen von Marienthal" von Paul Lazarsfeld und Marie Jahoda werden.

Aber noch war im Wien des Fin de Siècle keine Rede von Zusammenbruch. Im Gegenteil: Isaacs Sohn Isidor hatte Jenny, die Tochter eines Seidenfabrikanten, geheiratet. Die Geschäfte blühten, wichtigster Abnehmer war die k. u. k. Armee, die Isidor mit widerstandsfähigen Stoffen ausstattete.

Jenny und Isidor Mautner hatten vier Kinder und führten einen großen, offenen Haushalt mit glanzvollen Gesellschaften. Vor allem die Feste im Geymüllerschlössel in Wien-Pötzleinsdorf, das die Mautners als Sommersitz nutzten, sollen legendär gewesen sein.

Großes Talent

Wenn man gewollt hätte, wäre man – wie die Mautner Markhofs – geadelt worden. Allein, Isidor weigerte sich, seinen jüdischen Glauben abzulegen, was eine Voraussetzung für die Erhebung in den Adelsstand war. Dennoch zählten die Mautners zu den einflussreichsten Familien.

In Jenny Mautners "Salon" im Palais in der Löwelstraße gingen Hugo von Hofmannsthal, Richard Strauss, aber auch der viel umschwärmte Burgtheater-Star Josef Kainz ein und aus. Arthur Schnitzler hat über die Poesieversuche des zweitältesten Sohns der Familie in sein Tagebuch notiert: "Conrad Mautner, großes Talent".

Gerade dieser Conrad, der sich später mit K schrieb, galt in der Familie als schwarzes Schaf. Er entzog sich familiären Pflichten, wann immer möglich, durch heftige Migräneanfälle. Nur am Grundlsee, während der Sommerfrische, die sich die Mautners wie alle Kaisertreuen im Salzkammergut gönnten, blühte Konrad auf.

Den "einfachen Leut" galt sein Interesse, mit viel Liebe zum Detail studierte er ihr Leben, ihre Sitten und Gebräuche, sammelte ihre Lieder und Tänze und ihre Art, sich zu kleiden – und brachte dies in einem umfangreichen Prachtband zu Papier.

Verzweifelte Rettungsversuche

Konrads älterer Bruder Stephan, obwohl musisch und vor allem zeichnerisch hochbegabt, hatte es weniger gut. Er musste das Familienunternehmen übernehmen – und auch dessen Niedergang, vor allem nach dem Bankencrash und der Weltwirtschaftskrise in den 1930er-Jahren, verwalten. Verzweifelte Rettungsversuche des hochbetagten Vaters Isidor scheiterten letztlich.

Der "Anschluss" an Nazi-Deutschland 1938 besiegelte das Schicksal der Familie: Einige der jungen Mautners kamen in Gestapohaft, Konrads und Annas damals 19-jähriger Sohn Michael wurde nach Dachau verschleppt. Nur durch große Anstrengungen konnte die Familie ihre jüngeren Mitglieder frei und außer Landes bekommen.

Anna und ihre Kinder flüchteten gen Westen. Nur Stephan wählte den Ausweg nach Ungarn – eine fatale Entscheidung. Er wurde von Budapest aus deportiert und 1944 in Auschwitz ermordet.

Nur noch wenige Spuren

Die Spuren der "anderen" Mautners findet man heute nur mehr im Zusammenhang mit dem Volkskundeforscher Konrad. Ein Wanderweg zum Toplitzsee wurde nach ihm benannt. In Wien-Währing wurde ebenfalls ein Weg nach Konrad Mautner benannt. Ein Gedenkstein, 1925 in Gössl zu Ehren des kürzlich Verstorbenen errichtet, wurde 1938 von den Nazis zerstört.

An seiner Stelle steht seit 2008 eine Gedenktafel. Das Ausseerland haben die Nachfahren der Mautners in guter Erinnerung behalten. Noch immer, erzählt Martina Reischauer aus dem Mautner-Handdrucke-Geschäft in Bad Aussee, kämen Enkel und Urenkel der Anna Mautner im Sommer zu Besuch ins Salzkammergut. (Petra Stuiber, 19.8.2017)