Gefallener Herrscher: Gerald Finley als Lear.

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Salzburg – Die letzte Premiere bei den Salzburger Festspielen verspricht "Musik, die unter die Haut geht", so Dirigent Franz Welser-Möst. "Physisch, direkt und vielschichtig" sei die Musik, ergänzt er, und das hat natürlich mit dem Komponisten Aribert Reimann zu tun, der gemeinsam mit Welser-Möst und Regisseur Simon Stone auf der Festspiel-Terrasse über seine 1978 uraufgeführte Oper Lear Auskunft gab.

Für diesen Klassiker der Moderne hat der 81-jährige Berliner auf die selten benutzte, "viel härtere" Shakespeare-Übersetzung von Johann Joachim Eschenburg aus dem Jahre 1777 zurückgegriffen. Reimann straffte die dramatische Konstellation zugunsten der Musik. Ein Umstand, der schon im knappen Titel zum Ausdruck kommt: Shakespeares Tragödie heißt ja eigentlich Die wahre Geschichte von Leben und Tod König Lears und seiner drei Töchter.

Keine leichte Übung

Eine Lear-Vertonung ist keine leichte Übung, schon Verdi war daran gescheitert. Reimann schaffte es mithilfe seines Freundes Dietrich Fischer-Dieskau, dessen Titelpartie bei der Uraufführung jetzt Gerald Finley übernimmt. In den 1970ern erschütterte der RAF-Terror die deutsche Gesellschaft, und das beeinflusste auch Reimanns Arbeit. Denn es geht um ein ungebrochen aktuelles Thema: "die Selbstzerfleischung einer Hierarchie". "Geschichte wiederholt sich", so Welser-Möst, der ergänzt, dass im Lear viele "heutige Figuren erkennbar sind". Namen fallen keine, aber man weiß, wer in Zeiten von Fake-News gemeint ist.

Für den musikalischen Leiter ergaben sich Probleme, das gesamte Orchester im Graben der Felsenreitschule unterzubringen. Inspiriert von Konzerten Martin Grubingers platzierte er die Schlagwerker der Wiener Philharmoniker rechts oben im Saal, eine platztechnisch notwendige "Auslagerung", die zudem dem aufgefächerten Klangbild auf der Bühne entspricht.

Von der Musik und dem Stück zeigt sich auch der australische Film- und Theaterregisseur Simon Stone angetan, für den seine dritte Operninszenierung das "dramaturgisch großartigste Stück" ist, bei dem der "Horror schon in der Musik" zum Ausdruck kommt. Im letztendlichen Untergang liegt aber auch eine Chance: die Hoffnung auf Erlösung. (dog, 19.8.2017)