Der 2. Jänner 1492 ist ein Datum, das in islamistischen Kreisen bis heute schmerzlich in Erinnerung ist. Königin Isabella I. von Kastilien und König Ferdinand II. von Aragón nahmen damals mit dem südspanischen Granada das letzte muslimische Herrschaftsgebiet auf der Iberischen Halbinsel ein.

Es war der Schlusspunkt von knapp 800 Jahren arabischer Herrschaft – und einer Ära, wie die des Kalifats von Córdoba, die zeitgenössische Autoren damals als ein "goldenes Zeitalter" beschrieben.

Aufrufe zur Rückeroberung

Vor allem die junge Generation heutiger Jihadisten träumt davon, eben jene Dominanz über das einstige "Al-Andalus" – das den überwiegenden Teil Spaniens und Portugals umfasste – wiederzuerlangen. 2014 kursierten auf islamistischen Youtube-Channels erste Videos in spanischer Sprache, wie das der marokkanischen IS-Kämpfer in Syrien, Nouredin Majdoub und Salahedin Ghaitu. Darin rufen sie auf, Spanien, "das Land ihrer Großväter, zurückzuerobern". Dem Appell schloss sich auch Mohamed Hamduch alias "Kokito Castillejos" an, der Berühmtheit erlangte, weil er mit einem halben Dutzend abgetrennter Köpfe posierte. Ende 2015 starb er in Syrien.

Weiterer Teil der IS-Propagandaoffensive waren wiederholt auch Fotomontagen, die wichtiges arabisches Kulturerbe in Spanien – wie die Alhambra Granadas oder den Aljafería-Palast in Saragossa – hinter der schwarzen Flagge der Jihadisten zeigen. Selbst Ayman al-Zawahiri, nach dem Tod Osama Bin Ladens Al-Kaida-Chef, äußerte mehrfach Drohungen, Al-Andalus zurückzuerobern.

"Befreiung" mehrerer Städte

Eine Analyse des Innenministeriums in Madrid zu Konversationen von IS-Sympathisanten und -Anhängern auf dem Kurznachrichtendienst Telegram spricht von "einer Verdoppelung der Drohungen gegen Spanien" bereits 2015. Konkret sollten die Städte Toledo, Córdoba, Sevilla und Xátiv "befreit werden". Erst vor knapp zwei Wochen wies Rita Katz, Direktorin des auf Analyse radikalislamistischer Onlinekommunikation spezialisierten Site-Institutes, darauf hin, dass IS-affine Twitteruser "von unmittelbaren Angriffen in Al-Andalus" sprachen. Nun, nach dem verheerenden Anschlag von Barcelona, herrscht auf jenen Kanälen ausgelassener Jubel. Und schenkt man den Drohungen Glauben, dann war die Terrorfahrt auf Las Ramblas nur der Auftakt.

"Die Forderung von Al-Andalus ist mehr als ein Problem der Wahrnehmung", schrieb indes der mit einer Fatwa-Todesdrohung belegte algerische Autor Kamel Daoud in Le Quotidien d'Oran: "Es ist eine ideologische Halluzination. Sie beweist, dass man es geschafft hat, eine Generation zu schaffen, ohne Gegenwart oder Zukunft, die über die Vergangenheit wie im Fieber fantasiert." (Jan Marot aus Granada, 18.8.2017)