Barcelona – Die Mutter des Hauptverdächtigen des Terroranschlags von Barcelona hat ihren Sohn nach einem Medienbericht zur Aufgabe aufgefordert. Younes Abouyaaquoub solle sich der Polizei stellen, zitierte das Nachrichtenportal des katalanischen Rundfunksenders Televisio de Catalunya i Catalunya Radio über Twitter die Frau am Samstagabend.

Der 22-Jährige Marokkaner soll sich auf der Flucht befinden und möglicherweise nach Frankreich abgesetzt haben. Während einer Versammlung vor dem Rathaus der Kleinstadt Ripoll rund 100 Kilometer nördlich von Barcelona distanzierten sich die etwa 40 Familienangehörige sowie Bekannte der am Terroranschlag in Barcelona und der vereitelten Attacke in dem Küstenort Cambrils beteiligten mutmaßlichen Terroristen von den Taten. Sie trugen Plakate mit der Aufschrift "Nicht in unserem Namen".

Am Samstag befanden sich noch 59 Menschen im Krankenhaus.
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In Ripoll hatten einige der Verdächtige gewohnt. Zudem gedachten die Angehörigen in einer Schweigeminute der 13 Opfer des Anschlags in Barcelona vom Donnerstag sowie des Opfers der mutmaßlich vereitelten Attacke in Cambrils. Der Imam von Ripoll sei es gewesen, der die Männer "manipuliert" habe, sagte die Cousine von Abouyaaquoub weiter. Fünf Verdächtige waren bei dem Zwischenfall in Cambrils von der Polizei erschossen worden.

Imam im Visier

Die katalanische Polizei untersucht derzeit nach Berichten verschiedener Medien, ob der Imam der Kopf der Terrorzelle ist. Eine Cousine des Verdächtigen sagte laut dem katalanischen Rundfunksender, sie vermute genauso wie viele Bewohner von Ripoll, dass der Imam etwas mit der zunehmenden Radikalisierung der jungen Männer zu tun gehabt hatte.

Am Samstag in der Früh durchsuchten Beamte seine Wohnung in Ripoll nach DNA-Spuren. Er selbst kam möglicherweise bei der Explosion am Mittwoch in einem Haus in Alcanar etwa 200 Kilometer südlich von Barcelona ums Leben. Laut der Zeitung "El Mundo" war der Imam bis 2012 wegen Drogenhandels in Haft.

Bereits Mittwochnacht wurde im Ort Alcanar ein Haus durch eine Gasexplosion zerstört. Der Polizeisprecher sagte, es sei unklar, ob dabei ein, zwei oder drei Personen ums Leben gekommen seien. Die Ermittler gehen davon aus, dass in den Räumlichkeiten des Gebäudes ein oder mehrere größere Anschläge geplant wurden. Außerdem wurden mindestens 120 Gasflaschen für "einen oder mehrere Anschläge" in der katalanischen Hauptstadt gehortet.

Weiterer Verdächtiger

Die katalanische Polizei ist drei Tage nach der Terrorattacke von Barcelona offenbar einem weiteren Verdächtigen auf der Spur. "Wir sind sehr nah an einer Person dran, die mit beiden Attentaten in Verbindung steht", erklärten die Sicherheitskräfte am Sonntag auf Twitter mit Blick auf die Todesfahrt von Las Ramblas und den vereitelten Anschlag in der Küstenstadt Cambrils.

Welche Rolle der Verdächtige gespielt habe, könne noch nicht gesagt werden. In einem anderen Polizei-Tweet hieß es, in der Stadt Girona nördlich von Barcelona befinde sich ein Polizeiaufgebot.

Tote in Barcelona und Cambrils

Bei dem Anschlag auf der Flaniermeile La Rambla im Zentrum Barcelonas waren am Donnerstag mindestens 13 Menschen getötet worden. Wenige Stunden später starb zudem eine Frau in der südlich gelegenen Küstenstadt Cambrils, wo offenkundig ein weiterer Anschlag vereitelt wurde. Sie wurde von Verdächtigen auf der Flucht überfahren, die Polizei erschoss die Männer kurz darauf. Die Ermittler gehen davon aus, dass die Attacken in Barcelona und Cambrils von einem Netzwerk von insgesamt rund einem Dutzend Verdächtigen verübt wurden. Fünf von ihnen wurden in Cambrils erschossen, vier festgenommen. Die Identität von drei weiteren ist geklärt, zu ihnen gehören Abouyaaqoub und Es Satty.

Mit Blick auf die sich häufenden Anschläge in Europas Metropolen forderte EU-Parlamentspräsident Antonio Tajani mehr grenzüberschreitende Kooperation bei der Terrorabwehr. "Eine stärkere Zusammenarbeit bei der Strafverfolgung, den Geheimdiensten und den Justizbehörden wird uns helfen, den Krieg gegen den Terror zu gewinnen", sagte er den Zeitungen der Funke Mediengruppe (Sonntag).

Inzwischen liegen noch 54 Terroropfer verletzt im Krankenhaus, wie die katalanischen Notfalldienste mitteilten. Zwölf Patienten seien in kritischem Zustand, 25 weitere schwer verletzt – darunter viele Ausländer. Zwei Deutsche befinden sich in Lebensgefahr. Laut Außenministerium gibt es derzeit keine Hinweise auf Österreichern unter den Todesopfern, eine Frau aus Österreich wurde leicht verletzt.

"IS" bekannte sich zum Anschlag

Die Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS) reklamierte die Angriffe in Spanien für sich. Mehrere Glaubenskämpfer hätten sie ausgeführt und "Kreuzfahrer" ins Visier genommen, teilte der IS in einer Erklärung am Samstag im Internet mit. Die Echtheit der Erklärung ließ sich zunächst nicht verifizieren. Sie wurde aber über die üblichen Kanäle des IS im Internet verbreitet.

Der spanische König Felipe VI. und seine Frau Letizia legten am Samstagabend am Ort des Terroranschlags von Barcelona Blumen nieder. "Wir haben keine Angst und werden niemals Angst haben", sagte der Monarch. Rund 200 Muslime marschierten unter dem Motto "Wir sind Muslime, keine Terroristen" über die Rambla.

Trauerfeier in der Sagrada Familia

In der Basilika Sagrada Familia in Barcelona hat am Sonntag die Trauerfeier für die Opfer der Terroranschläge in Katalonien begonnen. An der Messe in der weltberühmten, von Antoni Gaudi entworfenen Kirche nehmen auch das spanische Königspaar Felipe VI. und Letizia, Ministerpräsident Mariano Rajoy, der portugiesische Präsident Marcelo Rebelo de Sousa und zahlreiche weitere Spitzenpolitiker wie der Präsident der Region Katalonien und die Bürgermeisterin von Barcelona teil.

Australischer Bub tot

Ein nach dem Terroranschlag in Barcelona vermisst geglaubter australischer Bub ist bei dem Anschlag gestorben. Das berichtet die BBC. Er ist eines der 13 Todesopfer. Zuvor hatten spanische Medien gemeldet, dass sich der Siebenjährige unter den Verletzten befinden würde.

Wie die australische Nachrichtenagentur AAP am Sonntag meldete, reiste der Vater des Siebenjährigen nach Spanien. Der Bub war dem Bericht zufolge bei dem Attentat vom Donnerstag von seiner Mutter getrennt worden. Mutter und Sohn hatten in Barcelona Urlaub gemacht. Die Frau wurde verletzt. Der Vater wurde nach seiner Ankunft von Polizei und australischen Konsularmitarbeitern abgeholt, wie AAP weiter berichtete.

Großdemonstration geplant

Die Bürger von Barcelona wollen am kommenden Samstag mit einer Großdemonstration gegen Terrorismus und extremistische Gewalt protestieren. Zu der Kundgebung hätten Barcelonas Bürgermeisterin Ada Colau und der katalanische Regionalpräsident Carles Puigdemont aufgerufen, berichtete die Zeitung "La Vanguardia" am Sonntag. Sie stehe unter dem Motto "No tinc por" – Katalanisch für: "Ich habe keine Angst."

Der Satz war bereits kurz nach dem Attentat auf dem beliebten Boulevard Las Ramblas mit 14 Toten erstmals aufgetaucht. Er gilt seither als Symbol für den Widerstand der Bevölkerung und ihren Willen, sich vom Terror nicht einschüchtern zu lassen. Die Demonstration soll um 18.00 beginnen und an der Placa de Catalunya enden. (APA, 20.8.2017)