Berlin – Deutschland kann gegen eine Auslieferung des in Spanien festgenommenen Kölner Schriftstellers Dogan Akhanli nur diplomatisch vorgehen. "Das Auslieferungsverfahren läuft direkt zwischen Spanien und der Türkei", sagte eine Sprecherin des deutschen Justizministeriums der Deutschen Presse-Agentur am Sonntag.

Gemäß dem Europäischen Auslieferungsübereinkommen habe die Türkei nach der Festnahme 40 Tage Zeit, einen Auslieferungsantrag zu stellen. Der deutsche Außenminister Sigmar Gabriel hat sich bereits eingeschaltet und mit seinem spanischen Kollegen Alfonso Dastis telefoniert, um eine Auslieferung des türkischstämmigen Schriftstellers an die Türkei zu verhindern.

Akhanli war am Samstag auf Betreiben der Türkei an seinem spanischen Urlaubsort festgenommen worden. Sein Anwalt hält das türkische Festnahmegesuch für politisch motiviert. Akhanli stammt aus der Osttürkei, ist aber deutscher Staatsbürger. Akhanli war nach dem türkischen Militärputsch von 1980 jahrelang inhaftiert. Er floh 1991 nach Deutschland und nahm 2001 die deutsche Staatsbürgerschaft an. Er steht der jetzigen türkischen Regierung kritisch gegenüber.

Anwalt Uyar sagte dem Kölner "Stadt-Anzeiger", bei der spanischen Polizei habe ein Dringlichkeitsvermerk der internationalen Polizeibehörde Interpol vorgelegen. In seinen Werken befasst sich der 1957 geborene Schriftsteller auch mit der Verfolgung der Armenier in der Türkei. Dem "Spiegel" zufolge werteten Sicherheitskreise die Festnahme als erneuten Affront der Türkei gegen Deutschland.

"Eindeutig rechstmissbräuchlich"

Der Grünen-Abgeordnete Volker Beck teilte mit, das türkische Vorgehen sei "eindeutig rechtsmissbräuchlich". Er forderte den deutschen Außenminister Sigmar Gabriel auf, sich unverzüglich für Akhanlis Freilassung einzusetzen. Gabriel war am Vortag als Reaktion auf den Terroranschlag in Barcelona nach Spanien gereist. "Wie weit wollen wir Erdogan in Europa noch kommen lassen?", fragte Linke-Chefin Katja Kipping auf Twitter.

Die Schriftstellervereinigung PEN teilte mit, das Verfahren gegen Akhanli sei "eindeutig politisch motiviert". Vizepräsident Sascha Feuchert forderte die spanischen Behörden auf, den Autoren keinesfalls an die Türkei auszuliefern.

Akhanli war im Oktober 2011 in Abwesenheit von einem Gericht in der Türkei vom Vorwurf des Raubes und Totschlags freigesprochen worden, der Freispruch wurde aber wieder aufgehoben. Ihm wurde vorgeworfen, 1989 an einem Raubmord auf eine Wechselstube in Istanbul beteiligt gewesen zu sein. Er lebt seit seiner Flucht aus der Türkei im Jahr 1991 in Deutschland und ist deutscher Staatsbürger.

2010 war er auf einem Flughafen in Istanbul festgenommen worden, als er in die Türkei einreisen wollte, um seinen todkranken Vater zu besuchen. Er wurde verhaftet und blieb in Untersuchungshaft, bis der Richter am ersten Verhandlungstag entschied, dass Akhanli das Gefängnis verlassen dürfe. Wenige Tage später kehrte er nach Deutschland zurück.

Akhanli Anwalt zufolge lag bei Interpol eine sogenannte Red Notice gegen den Schriftsteller vor. Damit kann ein Land dazu auffordern, eine gesuchte Person ausfindig zu machen und vorläufig festzunehmen. Es handelt sich nicht um einen Suchauftrag im Namen von Interpol selbst und nicht um einen internationalen Haftbefehl. Laut Interpol entscheiden die Länder selbst, wie sie mit einer Red Notice umgehen. (APA, 19.8.2017)