Air-Berlin-Kunden können ihre Flugmeilen nicht mehr gegen Gratisflüge oder andere Prämien einlösen. AB-Hauptaktionär Etihad hält 70 Prozent am Vielfliegerprogramm, Air Berlin 30 Prozent.

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Wien – Das Risiko, dass der heimische Air-Berlin-Ableger Niki insolvent wird, sei sehr gering, sagen Informierte. Offenbar gibt es ein Commitment, dass die Zahlungen seitens der Air Berlin (AB) an Niki weitergehen. AB macht für Niki unter anderem die Ticketabwicklung. Auch am Flughafen Wien funktioniere der Zahlungsstrom seitens der Deutschen unverändert, wird beruhigt. Die Buchungen sind allerdings seit Bekanntgabe der AB-Insolvenz generell eingebrochen.

Dass Niki Teil der Eurowings-Gruppe wird, die das Billigsegment der Lufthansa abdeckt, sei sehr wahrscheinlich. Beide haben ähnliche Zielgruppen.

Gewinner Lufthansa

Alles deutet darauf hin, dass die Lufthansa der Gewinner der Air-Berlin-Insolvenz sein wird: Mit Thomas Winkelmann, einem langjährigen Lufthansa-Manager und zuletzt Germanwings-Chef, sitzt ein Vertrauter von Lufthansa-Chef Carsten Spohr an der AB-Spitze. Die Lufthansa ist spätestens seit Februar über die Lage und Vorkommnisse bei AB genau informiert. Sie hatte also genügend Zeit, sich auf die absehbare AB-Insolvenz vorzubereiten.

De facto sei alles so vorbereitet, dass vieles von AB zur Lufthansa kommt. In Deutschland wird eher daran gearbeitet, wie man es schafft, dass aus kartellrechtlichen Gründen auch andere Airlines zum Zug kommen. Winkelmann sagte, es werde nicht einen, sondern zwei oder drei Käufer geben. Langstrecken, Geschäftsflüge und Urlaubsreisen seien zu unterschiedliche Bereiche. Zum Zug kommen könnten Easyjet, die allerdings bei ihrer Entscheidung sehr lange brauche, Condor vom Thomas-Cook-Konzern und Tuifly. Tui will angeblich sechs bis sieben Maschinen. Die Tui-Tochter Tuifly fliegt für Niki und hat Passagiere auf Air Berlin gebucht.

Filetierung statt Komplettübernahme

Deutschland lehnt eine Komplettübernahme von AB, wie vom Nürnberger Unternehmer Hans Rudolf Wöhrl geäußert, ab. "Das Modell Air Berlin als eine eigenständige Airline ist ja gescheitert", sagte Wirtschaftsstaatssekretär Matthias Machnig. Man müsse "nüchtern zur Kenntnis nehmen, dass man jetzt mehrere Partner braucht".

Lufthansa hat den Insolvenzverwaltern ein Konzept vorgestellt, wonach sie bis zu 70 Flieger, davon zwölf bis 17 für die Langstrecke und 21 von Niki, haben möchte. Dazu 2000 bis 3000 Mitarbeiter – Lufthansa interessieren vor allem die Crews, also Piloten und Flugbegleiter.

Niki hat bereits vor Monaten 16 ihrer 21 Flieger nach Deutschland abgeben müssen. Für die fünf verbliebenen Maschinen in Wien sind 200 bis 300 Piloten und Flugbegleiter notwendig. Die anderen 600 Mitarbeiter mussten bereits massive Verschlechterungen ihrer Arbeitsbedingungen hinnehmen, da die Operationsbasis seither in Deutschland liegt. Air Berlin hat seinerzeit durch den Verkauf von Niki an AB-Hauptaktionär Etihad 300 Millionen Euro lukriert, die bei AB allerdings verpufften.

Günstiger Kollektivvertrag

Da die Zentrale von Eurowings Europe in Wien ist, wäre das für Niki-Mitarbeiter von Vorteil. Niki hat, wie berichtet, den günstigsten Kollektivvertrag im deutschsprachigen Raum. Für AB-Crews hieße das, dass sie beim Gehalt Abstriche in Kauf nehmen müssen. Lufthansa-Chef Spohr kündigte intern bereits an, "fairerweise die Berufserfahrung zu berücksichtigen" und nicht alle auf der untersten Gehaltsstufe einzustellen. "Wir wollen den Verkauf spätestens im September abschließen", sagte Air-Berlin-Chef Winkelmann.

An die Adresse von Ryanair-Chef Michael O'Leary sagte Spohr intern: Er solle sich beim Insolvenzverwalter oder bei Herrn Winkelmann melden. "Michael, du hast meine Nummer, ruf gern an, und ich gebe dir die Telefonnummern der beiden, dann kannst du dich an der Rettung der Arbeitsplätze beteiligen, denn darum geht es jetzt!"

Kommt die Lufthansa wie erwartet bei AB zum Zug, so stiege der Anteil von Lufthansa am innerdeutschen Fluggeschäft von derzeit 70 auf etwa 96 Prozent. Dazu kommt der hohe Anteil jener Flüge, die von den Töchtern, Swiss und AUA, Richtung Deutschland abheben. Ein paar Zugeständnisse an andere Airlines wird es also geben müssen.

Gläubigerausschuss

Über den AB-Verkauf hat der Gläubigerausschuss das entscheidende Wort: Die Commerzbank ist dabei, der Berliner Insolvenzrechtler Niklas Lütcke, die Bundesagentur für Arbeit und Air Berlins Slotmanager Christian Weyer. Auch Eurowings hat einen Sitz, weil die Lufthansa-Tochter 38 Flugzeuge von Air Berlin geleast hat. Fünf davon fliegen für die AUA. Dass es an die zehn Interessenten für AB gibt, ist nicht ungewöhnlich, viele wollen Einblick in die Verkaufsunterlagen haben.

Der Vorsitzende der deutschen Monopolkommission, Achim Wambach, warnte allerdings vor einer politisch motivierten Bevorzugung der Lufthansa. Zwar sei gegen einen höheren internationalen Marktanteil der Lufthansa nichts einzuwenden, wohl aber, wenn dafür "auf Wettbewerb auf deutschen Flugstrecken verzichtet würde", sagte Wambach der "Welt am Sonntag". (Claudia Ruff, 20.8.2017)