Das Schicksal des "Islamischen Staats" als territoriale Entität im Irak wurde bereits in der Schlacht um Mossul besiegelt. Auch in der viel kleineren Stadt Tal Afar – auf die die Bodenoffensive Sonntagfrüh begonnen hat – haben die auf gut tausend geschätzten IS-Kämpfer gegen die Übermacht von irakischer Armee, Polizeieinheiten, Paramilitärs und US-Luftunterstützung keine Chance. Aber der Kampf um Tal Afar hat viel mehr als eine militärische Bedeutung.

Wie kein anderer Ort verkörpert die einstige osmanische, turkmenisch geprägte Garnisonsstadt, in der früher Schiiten die Mehrheit bildeten, die komplexe irakische Realität. Von den IS-Kämpfern in Tal Afar wird gesagt, dass sie Iraker sind – Sunniten, die sich dem IS anschlossen, weil sie keine schiitisch dominierte Regierung in Bagdad akzeptieren wollten. Nun stehen die gefürchteten Iran-nahen schiitischen Milizen vor Tal Afar. Und die irakische Regierung musste zwei Tage vor Beginn der Offensive zugeben, dass es in Mossul Übergriffe gegen sunnitische Zivilisten auch vonseiten der irakischen Armee gegeben hat.

Doch in Tal Afar stoßen auch regionale Akteure aufeinander. Zwar sind Ankara und Teheran zuletzt zusammengerückt, aber in Tal Afar sind ihre Interessen unversöhnlich. Im Moment ist alles dem großen Ziel, den IS zu schlagen, untergeordnet. Aber wie immer wird das Schwierigste sein, den Frieden nach dem Krieg zu gewinnen. (Gudrun Harrer, 21.8.2017)