New York – In der Gründungslegende der Stadt Rom wurden die beiden ausgesetzten Zwillinge Romulus und Remus von einer Wölfin aufgezogen, machten sich auf die Suche nach Abenteuern, fochten Kämpfe aus und gerieten schließlich in einen Streit um ihre neuangelegte Stadt, wobei Remus getötet wurde.

Alte Mythen ...

Für David Anthony vom Hartwick College in New York klingen in dieser Erzählung noch viel ältere Mythen an, wie sie für den indogermanischen Sprachraums typisch seien. Im Mittelpunkt stehen dabei Gruppen junger Krieger, die nach einem Initiationsritus auf Beutezug gehen. Und immer wieder würden in solchen Mythen, die vom keltischen bis zum griechischen Raum reichen, Wölfe oder Hunde eine wichtige Rolle spielen.

Anthony glaubt, dass dieses Motiv auf den kulturellen Einfluss von Menschen zurückzuführen ist, die während der Bronzezeit aus der eurasischen Steppe in Europa einwanderten. Und an diesem Ursprungsort sei die Verknüpfung von Kriegern und Hunden respektive Wölfen eine sehr direkte gewesen: Hunde seien rituell geschlachtet und gegessen worden, ehe die angehenden Krieger loszogen.

... und archäologische Funde

Als Beleg führt Anthony im "Journal of Anthropological Archaeology" Funde an, die der sogenannten Srubna-Kultur zugeschrieben werden. Nahe dem Dorf Krasnosamarskoe im heutigen Russland wurden die 3.900 bis 3.700 Jahre alten Überreste einer Siedlung dieser Kultur entdeckt.

Dort fanden sich auch die Überreste von mindestens 64 Tieren (hauptsächlich Hunde, aber auch ein paar Wölfe), die geschlachtet, filetiert und gebraten worden waren. Die Schädel der Hunde wurden zudem in Dutzende kleine Stücke gehackt. Spuren an den Knochen würden darauf hinweisen, dass das Fleisch abgelöst wurde – was dafür spricht, dass es auch gegessen wurde.

Der Wolf im Manne

Auffällig ist laut dem Team um Anthony, dass es sich bei sämtlichen Hunden um Rüden gehandelt hat. Chemische Analysen von deren Zähnen zeigten zudem, dass sie in verschiedenen Jahren getötet wurden – aber immer nur im Winter. Die ebenfalls in Krasnosamarskoe gefundenen Knochen von Schafen gehen hingegen auf Schlachtungen in verschiedenen Jahreszeiten zurück.

Anthony ist deshalb davon überzeugt, dass der Verzehr von Hundefleisch kein Teil der normalen Ernährungsweise war. Vielmehr sei er Bestandteil eines in regelmäßigen Abständen stattfindenden Initiationsrituals gewesen, für das sich jede neue Generation von Kriegern symbolisch in Wölfe verwandelt habe, um in den Kampf zu ziehen. (red, 21. 8. 2017)