Daniel Barenboim ließ Strauss und Tschaikowsky in Salzburg etwas breitwandtauglich und auch irritationsfrei klingen.

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Der erfahrene Herbert Blomstedt (Jahrgang 1927) schaffte bei Bruckner die ideale Mischung aus Kompaktheit und Intensität.

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Salzburg – "Er ist ein größerer Artist als Musiker", hatte der komponierende Impressionist Claude Debussy im Jahre 1903 über den Kollegen Richard Strauss geätzt. Die Metamorphosen des alten Strauss, dieses düstere Glanzlicht aus Schlichtheit, Komplexität und melancholischen Linienwucherungen, waren damals noch nicht einmal in Planung und können – 1946 uraufgeführt – schwer gemeint gewesen sein.

Im Großen Festspielhaus, wo kürzlich Pianist Maurizio Pollini bei seinem Salzburger Abend unter anderem Debussys Préludes (Livre II) mit grüblerischer Schlichtheit zur Entfaltung brachte, erwächst das schwermütige Streicherstück von Strauss als philharmonische Meditation, deren noble Verzweiflung von Dirigent Herbert Blomstedt im Zustand steten Fließens gehalten wird – bis er schließlich dem sanften Verstummen des Werkes ein kleines Innehalten im Sinne der Andacht beifügt. Die Streicher der Wiener Philharmoniker entfalten klangsinnliche Qualitäten. Schon bei dieser Studie ist auch zu bemerken, was bei Anton Bruckner später so eindringlich offenbar werden sollte: Der ganze Gefühlsgehalt der Metamorphosen bleibt klar konturiert, ohne seine auch vorwärtsdrängende Unruhe einzubüßen.

Robust und klar

In imposanter Pracht erklingt dann also Anton Bruckners siebte Symphonie schon zu Beginn. Da ist jedoch keine Effekthascherei, eher ein Mix aus Robustheit, Klarheit und doch immer auch emotionaler Dichte. Auch im Adagio wird keine Phrase ausgewalzt, es bleibt rhythmisch prägnant und mitunter so nahe an der Stille, dass dem Wuchtig-Dramatischen des Scherzos ausreichend extrovertierte Wirkung bleibt.

Im Finale dann zunächst ein diskretes Tänzchen, ehe Herbert Blomstedt abermals den Beweis erbringt, dass ihm die Verbindung zwischen Ausgewogenheit und Intensität auf selten uneitle Art und Weise gelingt.

Auf dem Divan

Die Werke wären diesem Beweis auch beim Salzburger Programm des West-Eastern Divan Orchestra unter der Leitung von Daniel Barenboim nicht im Wege gestanden – man gab ebenfalls Richard Strauss. Dessen Don Quixote wurde an Tschaikowskis fünfte Symphonie gebunden. Beide Werke ließ Barenboim mit der ihm eigenen Rücksichtnahme interpretieren: Es klang breitwandtauglich und auch irritationsfrei. Etwas schade. Es gäbe ja in den Fantastischen Variationen über ein Thema ritterlichen Charakters op. 35 von Strauss durchaus das eine oder andere Moment, in dem Ironie und sogar Schroffheit gefragt wären.

Der Komponist selber scheint gewusst zu haben, dass Dichter Cervantes eine Persiflage, eine Gesellschaftskritik oder einen erstaunlich modernen tiefenpsychologischen Roman geschrieben hat – sicher jedoch kein schlichtes Heldenepos.

Das Abenteuer mit den Windmühlen? Der Kampf gegen die Hammelherde? Der Ritt durch die Luft (am ehesten erkennbar noch am Einsatz der Windmaschine)? Kampf? Zweikampf? An diesem Abend klang alles eher nach "Heimkehr des fußmaroden Don Quixote". Dabei waren mit dem Cellisten Kian Soltani und der Bratschistin Miriam Manasherov zwei ganz wunderbare junge Musiker als Solisten aufgeboten: Diese beiden machten aus den "Motiven" des Don Quixote und seines getreuen Knappen Sancho Panza beredte Porträts. Besonders der schlanke und elegante Celloton von Kian Soltani ließ immer wieder erfreut aufhorchen.

Tolle Solisten

Mit staunenswert wenig Vibrato, mit geschmeidigem Strich auch in den exaltierteren Passagen und mit weichem, facettenreichen Ton auch in den höchsten Lagen: Mit solcher Elegance ist die Solopartie kaum einmal zu hören. Zahlreiche beredt musizierte Dialoge, etwa der Orchestercelli mit dem Solisten oder innerhalb der Holzbläser, haben hier recht deutlich gemacht, welch hervorragenden Musikerinnen und Musiker leider quasi interpretatorisch zum Gestus des Weichspülens animiert wurden.

All das gilt sinngemäß eigentlich auch für die Wiedergabe von Tschaikowskis Symphonie Nr. 5 e-Moll op. 64: Daniel Barenboim ließ sein junges Orchester in den tiefen facettenreichen Grautönen der ein wenig düsteren Symphonie schwelgen, verzichtete aber auch hier weitgehend auf Markantes der Phrasierung oder Agogik. Tatsächlich: Nicht einmal laut wurde es so richtig, nur kurz im triumphalen Bläserfinale – vor dem einige extrem Begeisterte glaubten, eher heftig klatschen zu müssen. (Heidemarie Klabacher, Ljubisa Tosic, 20.8.2017)