Pilger dürfen über den katarisch-saudischen Grenzübergang Salwa.

Foto: AFP / Karim Jaafar

Riad/Doha/Wien – Auf Al-Arabiya TV kann man sehen, wie gut es den katarischen Pilgern gehen wird, die nun doch noch zur Hajj, zur großen islamischen Wallfahrt, nach Mekka kommen dürfen: Das Zelt für die Kataris liege in einer der besten Gegenden der riesigen Zeltstadt, von der aus sich Anfang September Muslime und Musliminnen aus aller Welt zur Vollziehung ihrer Rituale begeben werden. Denn Saudi-Arabien trenne strikt zwischen politischen und religiösen Angelegenheiten, heißt es im Beitrag.

Ganz im Gegensatz zu Katar, so meinen es die Autoren des Beitrags: Denn die beiderseitigen Beschuldigungen, Katar beziehungsweise Saudi-Arabien würde die Hajj "politisieren", sind trotz der glücklichen Lösung für die katarischen Pilger nicht abgerissen.

Generelle Entspannung?

Vergangene Woche gab Saudi-Arabien bekannt, die geschlossene Landgrenze zu Katar bei Salwa / Abu Samrah speziell für Pilger öffnen zu lassen, auch einige Flugzeuge sollten losgeschickt werden, um Kataris in Doha abzuholen. Es wurde spekuliert, ob dieser Schritt eine generelle Entspannung in der Krise zwischen Katar und Saudi-Arabien bedeutet, das den Boykott und die Isolation Katars betreibt – einer Politik, der sich auch die Vereinigten Arabischen Emirate, Bahrain und Ägypten angeschlossen haben. Aber eine Verbesserung der Beziehungen ist nicht nur nicht in Sicht, die Hajj-Arrangements sind sogar Grund für neuen Streit. Saudi-Arabien beschuldigt nun Katar, die Landeerlaubnis für die angebotenen Pilger-Flugzeuge zu verzögern und überhaupt kein Interesse daran zu haben, dass die Gläubigen aus Katar ihre Hajj absolvieren können.

Die Führung in Doha hatte vergangene Woche einen Emissär entsandt, der sowohl König Salman, derzeit auf Urlaub in Marokko, als auch Kronprinz Mohammed bin Salman aufsuchte, der in der Abwesenheit seines Vaters die Geschäfte in Saudi-Arabien führt. Sheikh Abdullah bin Ali bin Abdullah Al Thani betonte, seine Mission bestand nur darin, eine Lösung für die katarischen Pilger zu finden, und wurde überaus freundlich empfangen.

Die guten alten Zeiten

Der alte Prinz war als Botschafter gut gewählt: Er ist der Bruder jenes Emir Ahmad Al Thani, den dessen Cousin Khalifa, der Großvater des heutigen Emirs von Katar, 1972 wegputschte. Al-Arabiya, dessen englischer Dienst zum wichtigsten internationalen Sprachrohr der Saudis geworden ist, strich prompt heraus, wie gut die saudisch-katarischen Beziehungen unter jenem anderen Zweig der Al Thani gewesen waren.

Für Saudi-Arabien hat der katarische Emissär eine willkommene Rutsche gelegt: Dass das salafistische Königreich Muslime und Musliminnen daran hindern könnte, ihre religiöse Pflicht – die Pilgerfahrt ist so eine – zu erfüllen, ist eine hochsensible Angelegenheit. In Saudi-Arabien nahe stehenden Medien wurde denn auch groß publiziert, dass die Kataris als Pilger in Mekka und Medina willkommen sind, so wie alle Pilger, denn, wie gesagt, politische Probleme sollten Gläubige nicht daran hindern, nach Mekka zu kommen.

Für Riad ist das wichtig: Die Rolle Saudi-Arabiens als alleinige Instanz, die den Zugang zu den wichtigsten islamischen Stätten kontrolliert, wird immer wieder hinterfragt. Das ist besonders dann der Fall, wenn ein Unglück geschieht – was bei den enormen Menschenmassen, bis zu zwei Millionen Pilger, die in ständiger Bewegung sind, immer wieder vorkommt. Im September 2015 wurden bei einer Massenpanik bis zu 2000 – die Zahl ist jedoch umstritten – Pilger getötet, darunter viele Iraner. Nach einem erbitterten Streit um die Verantwortung und einer weiteren Verschlechterung der Beziehungen schickte 2016 Teheran keine Pilger auf die Hajj nach Saudi-Arabien. Heuer sind die Iraner wieder dabei, es sollen an die 90.000 werden.

Die Hajj-Lotterie

Dahinter, welches Land wie viele Pilger und Pilgerinnen entsendet, steckt ein ausgeklügeltes Quotensystem. Je nach Einwohnerzahlen werden den Staaten Visa zugesprochen: Das macht die Indonesier zur stärksten Gruppe bei der Hajj. Als das erste arabische Land kommt mit Nummer acht Ägypten. Wie die einzelnen Länder die Visa weiterverteilen, variiert: oft durch eine Art Lotteriesystem, wobei meist ältere Personen, die noch nie auf der Hajj waren, bessere Chancen bekommen. Da die Nachfrage jedoch immer viel größer ist als das Angebot – bei jahrelangen Wartezeiten -, blüht auch der Schwarzmarkt und die Korruption.

Vor allem von politischen Gegnern Saudi-Arabiens wird häufig die Idee ventiliert, die Verwaltung der Pilgerstätten zu internationalisieren, etwa die Organisation der Islamischen Zusammenarbeit (OIC) damit zu betrauen. Das ist jedoch schwer vorstellbar: Die Funktion als Hüter der heiligen Stätten gehört zur Selbstlegitimation der Familie Saud, und sie würde sie schwerlich aufgeben. Die Pilgerfahrt ist darüber hinaus auch seit jeher eine Einkommensquelle, auch wenn Sicherheit und Logistik immer mehr kosten. (ANALYSE: Gudrun Harrer, 21.8.2017)