Licht, aber auch sehr viel Schatten für Emmanuel Macron, der frühzeitig mit Problemen zu kämpfen hat.

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Wenigstens im Ausland wirkt der Macron-Effekt weiter. Laut der US-Zeitschrift Fortune ist der französische Staatschef die weltweit einflussreichste Persönlichkeit unter 40 Jahren – direkt vor Facebook-Gründer Mark Zuckerberg. Bis zu seinem Geburtstag am 21. Dezember darf der 39-Jährige diesen internationalen Status noch vier Monate lang genießen, er, der sich auf der diplomatischen Bühne schon den wichtigsten Weltleadern wie Wladimir Putin, Donald Trump oder Angela Merkel gewachsen gezeigt hatte.

In Frankreich selbst ist Macron nach seinen ersten 100 Tagen im Élysée-Palast bereits auf dem Boden der Realität gelandet. Die Zustimmungsquote in Umfragen beläuft sich nur noch auf 36 Prozent. Bloß Jacques Chirac (1995-2007) war nach seinem Einzug in den Élysée-Palast schneller unpopulär geworden, und sogar François Hollande und Nicolas Sarkozy haben sich nach Ablauf ihrer 100-tägigen Schonfrist besser gehalten.

Nach dem Serienglück die Ernüchterung

Erstaunlich ist die schrumpfende Quote nur bis zu einem gewissen Grad. Nachdem ihm während des aufreibenden Wahlkampfs immer wieder das Glück gewunken hatte, war ein Rückstoß zu erwarten gewesen – zumal Macrons Sieg im Mai gleich doppelt mit Negativkriterien erklärbar ist: Zum einen gewann er, weil sich die Franzosen zum Schluss klar von Marine Le Pen abwandten; zum anderen profitierte der parteilose Newcomer auch von der Abstrafung der etablierten Parteien.

Macrons Popularitätseinbruch erstaunt vor allem außerhalb der Landesgrenzen; weniger in Frankreich selbst, wo die wirtschaftliche Stimmung nach wie vor gedrückt ist. Macrons Strukturreformen – wie etwa die Liberalisierung des Arbeitsrechts – werden, wenn überhaupt, frühestens 2019 Früchte tragen. Für konjunkturelle Ankurbelungsmaßnahmen hat der französische Präsident aber kaum Spielraum: Der Rechnungshof hat kürzlich eruiert, dass Hollande ein bedeutend tieferes Loch in der Staatskasse hinterlassen hat, als er dies angegeben hatte.

Kritik von beiden Seiten

Analysiert man die Umfragewerte Macrons etwas genauer, so zeigt sich rasch, dass der Mittepolitiker heute mit heftiger Kritik aus zwei Richtungen zu kämpfen hat. Die Linke misstraut dem technokratischen Exbanker mehr denn je; für September organisiert sie harten Widerstand gegen das neue Arbeitsrecht. Der Unternehmerverband Medef wiederum findet immer mehr Haare in Macrons zusammengemixter Wirtschaftssuppe und kritisiert neuerdings seine "negativen Maßnahmen" fiskalischer Art.

Damit zeigt sich erstmals ein Effekt, der in dem politisch so polarisierten Frankreich eigentlich auch nicht überraschen kann: Nachdem Macron mit seiner zentristischen Bewegung En Marche bis zur Wahl breitflächig abgesahnt hatte und tief in die Wählerschaften der Sozialisten und der Bürgerlichen eingedrungen war, wird nun klar, wie labil – nämlich von links wie rechts attackiert – seine Zentrumsposition ist.

Die Wirtschaftszeitung Les Echos sieht einen wichtigen Unterschied zwischen Macron und dem früheren US-Präsidenten Barack Obama: Dieser konnte sich nach dem Anfangserfolg seiner Wahlbewegung "Obama for America" im Weißen Haus auf die eingespielte Demokratische Partei stützen. Macron hingegen muss viel Mühe aufwenden, um seine recht spontan entstandene Internetformation tatsächlich in eine schlagkräftige Partei zu verwandeln.

Ungeschickt und abgehoben

Zudem scheint er im Amt doch nicht immer mit Geschick zu handeln. Etwa mit der Desavouierung von Armeechef Pierre de Villiers ließ Macron Unerfahrenheit und Unsicherheit erkennen.

Wahre Autorität sieht anders aus. Auch schließt sie, wie es Macrons Leitfigur Charles de Gaulle zeigte, Volksnähe nicht aus. Macron gibt sich aber unnahbar. Am Nationalfeiertag verweigerte er das traditionelle Präsidialinterview mit dem abgehobenen Argument, seine Gedanken seien "zu komplex" für das TV-Publikum.

In der Folge suchte Macron wieder nach Sympathiepunkten, indem er Popstar Rihanna traf, im Melting Pot Marseille urlaubte oder übermorgen, Mittwoch, die Salzburger Festspiele besucht. Doch das alles riecht nach schwerfälligem Politmarketing. Die Aura des Shootingstars, dem alles etwas leichter fällt, hat er verloren. Die restlichen 1700 Tage seiner Amtszeit werden kein "Gang übers Wasser" mehr sein, sondern harte Arbeit. Sogar beinharte Arbeit. (Stefan Brändle aus Paris, 21.8.2017)