Frauen – konkret Allgemeinmedizinerinnen und Fachärztinnen – sind, bezogen auf die mittleren Einkünfte, deutlich benachteiligt.

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Sich in Stellung bringen: Das ist bei Fechtturnieren genauso wichtig wie in Verhandlungen – vor allem dann, wenn es ums Geld geht.

Illustration: Francesco Cioccolella

Mit Einkommen kann ich leider nicht helfen, wir haben nur Umsätze." Die schriftliche Antwort des Hauptverbands der Sozialversicherungsträger auf die telefonisch gestellte Frage nach den Einkommen von Ärzten ist symptomatisch: Es gibt wenige Länder, die vergleichbar intransparent sind beim Ärzteeinkommen, wo die Verdienstmöglichkeiten als Mediziner so vom Zufall, dem Einsatzort und der Fachrichtung abhängen wie in Österreich.

Mit zum Präzisesten, was es an einschlägigem Datenmaterial gibt, zählt der im Vorjahr erschienene Allgemeine Einkommensbericht des Rechnungshofs (RH). Dieser bezieht sich allerdings auf Zahlenangaben, die jetzt vier Jahre alt sind. Allgemeinmediziner verfügten laut diesem Bericht im Jahr 2013 über mittlere Jahreseinkünfte von 86.512 Euro.

Das Medianeinkommen gibt dabei jene Einkommenshöhe an, von der die Anzahl der Haushalte bzw. Personen mit niedrigeren Einkommen gleich groß ist wie die der – in vorliegendem Fall – Ärzte mit höheren Einkommen.

Zum Vergleich: Das arithmetische Mittel, sprich das Durchschnittseinkommen der Allgemeinmediziner belief sich im selben Jahr auf 105.781 Euro. Das arithmetische Mittel ist deshalb in der Regel höher als das Medianeinkommen, weil die Unterschiede vom mittleren zu den höheren und höchsten Einkommen generell um ein Vielfaches größer sind als die Unterschiede zu den niedrigeren Einkommen.

Ärztinnen verdienen weniger

Was in dem RH-Bericht noch auffällt: Allgemeinmedizinerinnen und Fachärztinnen sind, bezogen auf die mittleren Einkünfte, deutlich benachteiligt. Ihre mittleren Einkommen lagen 2013 bei weniger als der Hälfte der Einkommen ihrer männlichen Kollegen. Zahnärztinnen erzielten mit 78.077 Euro im Durchschnitt immerhin 69 Prozent der mittleren Einkünfte der Männer (113.744 Euro).

Insgesamt erreichte das Fraueneinkommen im Gesundheits- und Sozialwesen aber nur 18 Prozent des mittleren Einkommens der männlichen Vergleichsgruppe. Das liege vor allem an der Beschäftigtenstruktur innerhalb der Branche, schreibt der Rechnungshof.

Eine Aktualisierung der Daten wird es in dem 2018 erscheinenden Bericht geben. Bei einem Gesamtfrauenanteil von 54 Prozent sind Ärztinnen unter der gut verdienenden Kollegenschaft mit 37 Prozent stark unterrepräsentiert.

In Unterklassen mit niedrigerem Einkommensniveau liegen Frauen vorn, zum Beispiel bei Psychotherapeutinnen, klinischen und Gesundheitspsychologinnen. Mit 16.840 Euro lagen die mittleren Einkommen der Selbstständigen in dieser Unterklasse deutlich unter dem Branchenmittel, gleichzeitig waren drei Viertel dieser Personen weiblich. So weit, so schlecht.

Selbstständig und unselbstständig zugleich

Geht es um präzisere Angaben zu Ärzteeinkommen und deren Verteilung über verschiedene Fachgruppen hinweg, stößt auch die Statistik Austria an ihre Grenzen. "Wir haben leider nichts Genaueres, da die unterste Gliederung hierzu beim ärztlichen Fachpersonal endet und Ärzte überdies ja auch selbstständig wie unselbstständig zugleich sein können", teilte ein Sprecher mit.

Aus diesen Daten erschließt sich tatsächlich schwer, wie viel jemand unterm Strich verdient. Das fängt schon mit den Sonderklasseentgelten für Patienten an, die über eine freiwillige Zusatzversicherung verfügen. In einigen Bundesländern werden diese Entgelte durch das Krankenhaus abgerechnet, in der Mehrzahl aber als selbstständiges Entgelt ausbezahlt.

"In vielen Ländern muss ich mich als Arzt entscheiden: Arbeite ich im Spital oder in der Ordination. In Österreich ist beides möglich", sagt Thomas Czypionka. Der studierte Mediziner ist als Gesundheitsökonom beim Institut für Höhere Studien (IHS) beschäftigt. In Österreich verfügen etwa 30 Prozent der Bevölkerung über eine Zusatzversicherung, die aber nur für einen Teil des Krankenhausaufenthaltes aufkommt. Der Rest wird fast immer aus öffentlichen Mitteln bestritten.

Die private Zusatzversicherung deckt sozusagen das Delta ab, das durch bessere Verpflegung, bessere Unterbringung und das Zusatzhonorar für den behandelnden Arzt entsteht. Von diesen Sonderklasseentgelten behält sich das Krankenhaus in der Regel einen Teil zurück, für die Benutzung der Einrichtung.

Vielfältige Verdienstmöglichkeiten

Es gibt eine breite Palette an Verdienstmöglichkeiten für Mediziner, beginnend mit der Anstellung im Spital, die ausgewählten Ärzten versüßt wird durch die Möglichkeit, Sonderklasseentgelte zu beziehen. Diese fallen je nach Bereich unterschiedlich oft an. In operativen Disziplinen, zum Beispiel in der Internen, gibt es viel mehr Sonderklassepatienten und entsprechende Zusatzentgelte als in anderen Bereichen.

Zusätzlich kann ein Arzt auch Gesellschafter in einem Radiologieinstitut, einem Labor oder eines Ambulatoriums sein und daraus Zusatzeinkünfte lukrieren. Ein Arzt kann seine Praxis oder einen Teil der Räumlichkeiten vermieten, als niedergelassener Arzt hat er unter bestimmten Bedingungen zudem das Recht, eine Hausapotheke zu führen.

Etwa 840 Kassenhausärzte haben eine solche, das entspricht etwa der Hälfte aller Landärzte und 20 Prozent aller Kassenhausärzte in Österreich.

Kassenarzt als Unternehmer

Was oft vergessen werde: "Ein Kassenarzt ist ein Unternehmer, der seinen eigenen Arbeitsplatz bezahlen, also auch und vor allem Investitionen aus dem Gewinn stemmen muss – oder eben nicht", sagt Ernest Pichlbauer, ein anderer Gesundheitsökonom.

Unter den Fachärzten liegen Radiologen, Urologen und Augenärzte in der Einkommenspyramide meist ganz oben. Sie kommen im Schnitt auf einen kassen- und privatärztlichen Bruttogewinn von 230.000 respektive 169.000 und 153.000 Euro pro Jahr – in Deutschland.

Die Zahlen sind sechs Jahre alt und stammen aus einer Publikation des Statistischen Bundesamtes in Wiesbaden (Unternehmen und Arbeitsstätten: Kostenstruktur bei Arzt- und Zahnarztpraxen sowie Praxen von psychologischen Psychotherapeuten). In absteigender Richtung folgen HNO-Ärzte, Orthopäden, Chirurgen, Frauenärzte und Internisten. Im hinteren Feld befinden sich Kinderärzte, Allgemeinmediziner, Hautärzte und Neurologen bzw. Psychiater.

Einheitlicher Bewertungsmaßstab

Größenordnungsmäßig, und was das Verhältnis untereinander betrifft, könnte man die Daten auch auf Österreich übertragen, meint Czypionka, merkt aber an: "In Deutschland ist die Vergütung geschickter geregelt. Die haben den einheitlichen Bewertungsmaßstab, der für 80 Millionen Deutsche gilt."

Ein Bewertungsausschuss berechne anhand der Kosten in den Arztpraxen und der Zeit, die man für jede Behandlung braucht, einen Punktewert. Damit würden falsche Anreize verhindert. Czypionka: "Wenn ich pro Zeiteinheit mit einem Handgriff 100 Euro verdienen kann und mit dem anderen 50, mache ich auch lieber den für 100."

In Österreich sei die Einführung eines einheitlichen Bewertungsmaßstabs bisher daran gescheitert, dass sich die Krankenversicherungsträger nicht zusammenschließen wollten. "Aus mir unverständlichen Gründen ist es für die Krankenversicherungsträger ein großes Privileg, den Honorarkatalog jeweils selbst aushandeln zu dürfen", wundert sich der Gesundheitsökonom Czypionka vom IHS.

Verhandlungen haben auch im Bereich Medizin viel mit Macht und Durchsetzungskraft zu tun. "Hautärzte beispielsweise haben auch hohe Ausgaben für Laser, OP und anderes Untersuchungsequipment, aber vergleichsweise niedrige Tarife", sagt Gesundheitsökonom Pichlbauer. Das habe zur Folge, dass Patienten immer öfter zur Behandlung ins Spital geschickt werden. Dort aber seien die Kosten wesentlich höher. (Günther Strobl, CURE, 29.9.2017)