SPOILERWARNUNG!!! Hier steht, was in der sechsten Folge der siebenten Staffel von "Game of Thrones" passiert. Wer das nicht wissen will, hört jetzt zu lesen auf.

Frodo und seine Gefährten ziehen hinter die große Mauer. Ihr Ziel ist es, den Ring nach Mordor … Oh, falsche Geschichte, Entschuldigung. Also, folgendermaßen: Jon hatte in der Vergangenheit die grandiose Idee, einen umherwandernden Toten zu fangen, um der Welt im Süden zu zeigen, dass die Nordmänner nicht alle irgendwelche Ammenmärchen glauben, sondern es mit einer ernstzunehmenden Gefahr zu tun haben. Dafür versammelt er über diverse Umwege zusammengekommene alte Bekannte, Sektenmitglieder und Wildlinge. Konkret sind dies Tormund, der Hound, Jorah, Beric, Thoros, Gendry.

Into the wild.
Foto: hbo/helen sloan

Dies sind dann auch die Kollegen, die die ganze Zeit über keine Kapuze aufsetzen werden, obwohl es schneit. Der Grund dafür ist klar, denn jeder Kapuzenträger stirbt in den folgenden Auseinandersetzungen mit den wandelnden Toten. Wirklich jeder. Sogar Thoros, der sympathische Trinkerpriester, wird von einem toten Bären gebissen und stirbt später, während die Expeditionscrew eingeschlossen auf einer Insel von der Armee des bösen Nachtkönigs belagert wird. Es mag nicht überraschen, dass bei einem solchen Aufeinandertreffen so mancher guter Spruch fällt und so manche in der Vergangenheit aufgebaute Charaktereigenschaft (Angst vor Feuer, übertriebenes Ehrgefühl und so weiter) ausgereizt wird, um dem Plot auf die Sprünge zu helfen. Das geht leider nicht immer runter wie Öl.

Drachen fackeln Untote ab

Überraschung: Jons Plan ging nicht ganz auf.
Foto: hbo/helen sloan

Jedenfalls wird, bevor die Belagerung mitten in einem gefrorenen See beginnt, Gendry wieder nach Eastwatch geschickt, um Raben nach Daenerys senden zu lassen. Ohne ihre Hilfe wäre das Projekt Leichenschlepperei nämlich eine fürchterliche Katastrophe geworden. Aber die Sturmtochter und ihre Drachen schaffen es in allerletzter Sekunde an den Ort des Geschehens und beginnen sogleich, die untoten Toten abzufackeln und zu ertränken. Dummerweise kommt dabei einer der Drachen, Viserion, ums Leben. Der Arme wird vom vorhin genannten Nachtkönig mit einem Eisspeer vom Himmel geholt und geht im tiefen Wasser unter. Interessant dabei ist, dass der Bösewicht den fliegenden Drachen vom Himmel ballert anstatt den sitzenden, auf dem ganz nebenbei auch noch die Drachenmutter und der Rest der Bande saßen. Tja! Hat wohl trotz seines bestimmt eisigen Herzens auch ein Gefühl fürs Dramatische.

Jon fällt jedenfalls ins Wasser und wird in letzter Sekunde von seinem guten alten Onkel Benjen gerettet, der ihm auch noch sein Pferd gibt und sich für seinen Neffen opfert. Goodbye, Benjen!

Die Tyrannei starker Drachenmütter

Nicht einer Meinung: Daenerys und Tyrion.
Foto: hbo/helen sloan

Tyrion scheint gelegentlich der Einzige zu sein, der erkennt, dass Daenerys eine mit postrevolutionärem Terror herrschende Tyrannin ist. Er gerät zusehends mit ihr in Konflikt. Ihm wird sogar vorgeworfen, er hätte womöglich vor, sich mit seinen Geschwistern gegen seine Arbeitgeberin zu verschwören. Ob das bedeutet, dass es einen gravierenden Vertrauensverlust gibt, lässt sich nur schwer beantworten. Dany ist aufbrausend, und als absoluter Machtmensch kämpft sie wohl auch mit rhetorisch unfairen Mitteln, nur um im Streit zu gewinnen. Seine Loyalität ist auch nicht über alles erhaben, obwohl er gelegentlich mit an Pathos grenzender Feierlichkeit ihre Hoheit in den Himmel lobt. Das zeigten bereits Anflüge von Nostalgie und Mitleid, als die süßen Drachenbabys einige Lannister-Truppen buchstäblich in Schutt und Asche legten.

Als Sansa fast buchstäblich ihr Gesicht verlor

Indes erkennt man einmal mehr, dass die Stark-Töchter zwei grundlegend verschiedene Persönlichkeiten sind. Streit und andere Animositäten legen offen, wie schwierig ihr Verhältnis zueinander ist. Arya wirft ihrer Schwester Sansa vor, die Familie verraten und sich auch metaphorisch mit dem Feind ins Bett gelegt zu haben. Und verdammt, die Kleine kann unheimlich sein! Hätte sie nach der Offenbarung dessen, was sie in Braavos gelernt hat, ihre Schwester einfach umgebracht und ihr das Gesicht abgezogen, es hätte etwas vom Geist der früheren Tagen dieser Serie gehabt.

Friedlich war die Beziehung der beiden Schwestern nie.
Foto: hbo/helen sloan

Ergebnisse der sechsten Folge

Noch einmal das Wichtigste im Newsflash: Daenerys kann "nicht schwanger" werden. Es ist also naheliegend, dass es mit dem vermutlich Drachenblut in sich tragenden Jon Snow klappen könnte. Der hat übrigens auf dem Weg nach King’s Landing Dany als seine Königin anerkannt, und es ist sehr offensichtlich, dass da etwas laufen könnte. Ebenfalls auf dem Weg in die Hauptstadt ist Brienne of Tarth, die Sansa und Arya schützen sollte, aber eben von Ersterer nach K-City befohlen wurde. Weiters lassen sich Drachen ohne viel Aufwand töten, wenn man der König über ein Heer von Toten ist und einen Zauberspeer aus Eis hat. Sie lassen sich auch wiederbeleben – was für ein Horror! Und, ganz wichtig: Bringt man einen weißen Wanderer um, sterben auch alle von ihm bekehrten Toten.

Brienne wird auch zum großen Finale in King's Landing geschickt.
Foto: hbo/helen sloan

Die Geschichte verliert an Wumms

Bedenkt man, dass es sich hier um eine Serie handelt, die mit "Fuck you"-Momenten nicht sparsam umging und gelegentlich den Glauben an das Gute im Scriptschreiber zu zerstören drohte, beginnt sich so langsam der Eindruck von Zeitdruck und Massenkompatibilität aufzudrängen. Der Plot spielt sich ohne große Überraschungen mehr oder weniger schlüssig herunter und ist – man traut es sich kaum auszusprechen – nun ja: berechenbar(er) geworden. Es mag zunächst nach Widerspruch klingen, aber die wahnsinnig hohe Geschwindigkeit der Handlung in dieser Staffel macht sie witzlos. B folgt auf A und C folgt auf B. In früheren Tagen wäre B gestorben und C hätte As Familie die Haut abgezogen. Dazwischen hätte es eine Menge Sex gegeben.

Vermutlich hier mit dabei: Ikea-Teppiche.
Foto: hbo/helen sloan

Es ist nun schon recht klar – das mag dem fortgeschrittenen Stadium der Story geschuldet sein –, wer keinesfalls sterben wird und wen es problemlos erwischen können wird, ohne dass viel passiert wäre. Dabei hat diese Serie doch einst ausgemacht, dass gerade all jene sterben, für die man als Zuschauer eine goldene Zukunft vorausgesagt hätte. Für Menschen, die mit den im Fantasy-Genre obligatorischen Riesenschlachten nicht viel anzufangen wissen, sind die letzten Folgen dann zusätzlich eher notwendiges Übel als Hochgenuss. Große Bilder und epische Szenen mögen schön sein, das sich öffnende strahlend blaue Auge des vormals toten Drachen ist ein beeindruckender Anblick. Aber war es – wie vieles andere in dieser Staffel – nicht schon sehr, sehr aufgelegt, dass es so kommen würde?

Das Ende ist nah

GameofThrones

Wie dem letzten Satz zum Trotz bleibt nun die Frage, ob sich Cersei vom Mitbringsel von nördlich der Mauer beeindrucken und zur Mithilfe im Kampf für das Überleben der Menschen überreden lässt. Anzunehmen wäre wohl ein Ja. Nichts schweißt Menschen so zusammen wie ein äußerer Feind, vor allem, wenn es sich um Untote handelt. Welche Machtspiele und Gemeinheiten sich die dann Schulter an Schulter kämpfenden Rivalen füreinander einfallen lassen werden, wird in den nächsten 60 Minuten wohl nur eine Andeutung bleiben, während die Geschichte von Eis und Feuer unweigerlich auf eine weitere epische Schlacht zugeht. Oder einen bösen Cliffhanger. (Žarko Janković, 21.8.2017)