Wien – Zu den großartigsten Fiktionen der Film- und Fernsehserie Star Trek zählt das sogenannte Holodeck: ein Raum, in dem beliebige virtuelle Welten mittels einer Kombination aus Holografie- und Replikatorentechnik simuliert werden können.

Diese Technik ist und bleibt Science-Fiction. Ein internationales Forscherteam unter Wiener Beteiligung hat nun immerhin einige einfache Elemente des Holodecks nachgeahmt, um auf diese Weise die neuronalen Grundlagen des tierischen Verhaltens besser zu verstehen, wie sie im Fachblatt "Nature Methods" berichten.

Anleihen von Computerspielen

Im Wesentlichen besteht das "Holodeck" für Fische, Fliegen und Mäuse aus einer Art Multifunktionsarena, deren Wände und Boden mit Computerdisplays und beliebig formbaren Projektionsflächen ausgestattet sind. Bespielt wird diese virtuelle Realität mit Grafiken auf Basis von Computerspieltechnologie, wodurch es möglich wird, natürliche, aber doch auch standardisierte Umgebungen für die Tiere zu schaffen.

Die Multifunktionsarena für Fliegen mit künstlichen Realitäten.
Foto: https://strawlab.org/freemovr

Damit überwinden die Forscher um Andrew Straw (Uni Freiburg, vorher IMP Wien) und Kristin Tessmar-Raible (Max F. Perutz Laboratories Wien) die meisten Einschränkungen der bisherigen Laborbedingungen: In ihren "Holodecks" namens FreemoVR können die Tiere gehend, schwimmend oder fliegend – und eben völlig frei – die komplett computergenerierte 3D-Umgebung erkunden.

Bestätigung im Experiment

Um zu bestätigen, dass FreemoVR tatsächlich eine realistische Antwort des frei beweglichen Tieres auf einen Gegenstand hervorruft, untersuchten die Forscher die Reaktion von Zebrafischen und Fliegen auf einen virtuellen, aufrechten Pfosten. Zusätzlich zeigten sie, dass Mäuse sowohl in einem echten, als auch in einem virtuellen erhöhten Labyrinth gleichermaßen Höhenangst hatten.

Links: Das "Holodeck" für die Fliegen und rechts ihre aufgezeichneten Bewegungen.
Foto: https://strawlab.org/freemovr

Mit FreemoVR fanden die Teams bisher unbemerkte Verhaltensunterschiede zwischen einem Wildtyp- und einem mutierten Zebrafisch-Stamm, die die Empfindlichkeit des Systems aufzeigten. Zusätzlich erforschten die Teams jene Regeln, die soziale Interaktionen zwischen echten und virtuellen Zebrafischen bestimmen. Sie fanden heraus, dass der potenzielle "Anführerfisch" das Risiko, seine Anhänger zu verlieren, minimiert, indem er seine persönliche Vorliebe für eine Schwimmrichtung mit den sozialen Rückmeldungen des untergeordneten Fisches ausgleicht.

Zukunftsperspektiven für FreemoVR

Bei so einfachen Experimenten wird es nicht bleiben: "Ich freue mich sehr darauf, komplexere und lebensnahe Umgebungen nachzuahmen, um höhere Gehirnfunktionen in Medakafischen und Zebrafischen zu testen", sagt Kristin Tessmar-Raible, die den Großteil der Fischstudie leitete. "Dies wird uns helfen, deren Gehirnfunktionen besser zu verstehen und Aufschluss darüber geben, inwieweit wir diese tagaktiven Wirbeltiere als Modelle für neuropsychologische Störungen nutzen können."

Vom Einsatz von FreemoVR in der Zukunft erhoffen sich die Teams, Einblicke in die Gehirnfunktion von komplexeren Verhaltensweisen wie Navigation zu gewinnen, Kausalitäten im kollektiven Verhalten von sozialen Gruppen besser zu verstehen und, auf lange Sicht, Verhaltensmechanismen unter jenen Bedingungen zu studieren, in denen das Gehirn seine Funktionsfähigkeit entwickelte. (tasch, 22.8.2017)