Vierertreffen in Salzburg

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Salzburg/Wien – Bei der Vorbereitung auf seinen Besuch in Salzburg dürfte sich Emmanuel Macron an den Geschichtsunterricht in Frankreich erinnert haben: Auf seinem Programm stand nicht nur ein Treffen mit Österreichs Bundeskanzler Christian Kern, sondern Gespräche mit allen drei Vertretern des sogenannten Austerlitz-Formats. Die mährische Stadt Austerlitz, auf Tschechisch Slavkov, war 1805 Schauplatz der Drei-Kaiser-Schlacht, bei der Napoleons Truppen die Armeen des österreichischen Kaisers Franz II. und des russischen Zaren Alexander I. besiegten. In Paris sind sogar ein Bahnhof und eine Brücke nach Austerlitz benannt.

Die Stadt ist aber auch Namensgeberin eines Gesprächsformats, das aus den Regierungschefs der drei Nachbarländer Österreich, Tschechien und der Slowakei besteht. Aktuell sind das neben Kern der tschechische Premier Bohuslav Sobotka, der 2015 zur Gründung der Plattform in seine ehemalige Heimatstadt Austerlitz geladen hat, sowie sein slowakischer Amtskollege Robert Fico.

Von Anfang an wurde spekuliert, ob das Austerlitz-Format als Konkurrenz zur Visegrád-Gruppe (V4) anzusehen ist, in der Tschechien und die Slowakei mit Ungarn und Polen vereint sind. Der Gedanke lag insofern nahe, als die "Gründungsmannschaft" – für Österreich war der damalige Bundeskanzler Werner Faymann dabei, Sobotka und Fico sind Austerlitz-Premiers der ersten Stunde – ausschließlich aus Sozialdemokraten bestand, während in Warschau und Budapest konservative Regierungen am Ruder waren.

Eine offizielle Bestätigung für diese These gab es freilich nie. Es fällt aber auf, dass Prag und Bratislava vor allem in letzter Zeit auf Distanz zu Warschau und Budapest gehen. Die Anberaumung des Salzburger Treffens mit Kern und Macron ist dafür das jüngste Indiz: Bei der Gründung des Austerlitz-Formats im Jänner 2015 hatte man eigentlich jährliche Treffen vereinbart. Die zweite Zusammenkunft ließ dennoch bis Juni 2017 auf sich warten. Nun, nur zwei Monate später, kann es mit dem dritten Treffen plötzlich nicht mehr schnell genug gehen.

Austerlitz entpuppt sich als willkommene Plattform, um mit Frankreichs Präsidenten Macron über Ost-West-Themen zu diskutieren – und zwar ohne rechtsnationale Begleitmusik aus Polen oder Ungarn. Etwa über die EU-Entsenderichtlinie, bei der Wien und Paris Reformbedarf sehen. Im Raum steht die Sorge, heimische Staatsbürger könnten durch billigere Arbeitskräfte aus Osteuropa verdrängt werden.

Streitpunkt Lohngefälle

Tschechiens Premier Sobotka wollte seinerseits Druck aufbauen und forderte in Tschechien tätige österreichische und französische Firmen auf, die Löhne zu erhöhen. Seine Aussage muss aber vor dem Hintergrund des Wahlkampfs im Land gesehen werden und dürfte kaum konkrete Gestalt annehmen: Tschechische Unternehmen wären wohl wenig begeistert, sollte ihnen die ausländische Konkurrenz durch höhere Löhne die besten Mitarbeiter abwerben.

In der Flüchtlingspolitik, wo die V4 gegen verpflichtende Quoten auftreten, hat derzeit die Slowakei den besten Draht nach Brüssel und zu den Staaten Westeuropas. Bratislava hat zwar gemeinsam mit Budapest gegen die Quoten geklagt, vertritt aber das Prinzip der "flexiblen Solidarität" – etwa die Betreuung von Asylbewerbern für andere EU-Staaten. Premier Fico hat erst vergangene Woche die Nähe zum "Kern" Europas zur Basis seiner Politik erklärt: "Ich bin sehr an der regionalen Kooperation innerhalb der Visegrád-Gruppe interessiert, aber das lebenswichtige Interesse der Slowakei ist die EU", so Fico.

Auch in Tschechien, wo rechtsnationale Parteien wie die PiS des Polen Jaroslaw Kaczynski oder die Fidesz von Ungarns Premier Viktor Orbán zuletzt kaum eine Rolle gespielt haben, ist bisweilen von der "toxischen Marke" Visegrád die Rede. Sobotka und Fico dürften am Mittwoch recht positiv gestimmt nach Salzburg gefahren sein – auch wenn sie Warschau und Budapest damit einmal mehr den Rücken zuwandten. (Gerald Schubert, 23.8.2017)