Wer keinen Job hat, verliert an Selbstvertrauen und Lebensfreude. Das belegen viele Studien. Das gilt aber auch für unsichere, schlecht bezahlte Jobs, wie britische Forscher zeigen. Für Expertin Judith Pühringer eine Wahl zwischen "Pest und Cholera".

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Wien – Das beste Sozialprogramm ist ein Arbeitsplatz. Dieser Slogan steht stellvertretend für die Debatte über den Umgang mit Arbeitslosen in vielen Ländern. Die heimische ÖVP hat ihn sogar auf Plakate drucken lassen. Immer häufiger üben Arbeitsämter großen Druck aus, damit Jobs angenommen werden. Die deutschen Hartz-Reformen, zu denen sich Vertreter der ÖVP wie Finanzminister Hans Jörg Schelling ebenfalls positiv äußerten, sind dafür berüchtigt.

Ist ein Job aber in jedem Fall besser als gar keiner? Eine Studie aus Großbritannien, die auf einzigartige Daten Zugriff hat, bringt nun die weitverbreitete Theorie ins Wanken. Demnach sind schlecht bezahlte, unsichere Jobs mit wenig Gestaltungsfreiheit sogar noch schlechter für die Gesundheit von Menschen als die Arbeitslosigkeit.

Die Forscher der University of Manchester nahmen dazu Einblick in die Blutwerte von arbeitslosen Briten. Sie alle hatten gemein, dass sie in der Finanzkrise 2009 in die Arbeitslosigkeit schlitterten. 2010 und 2012 wurden sie dann noch einmal untersucht. Die meisten, die wieder einen Job fanden, hatten bessere Werte als die noch immer Arbeitslosen.

Soweit ist die Theorie also korrekt. Viele Studien zeigen, dass Arbeitslose im Durchschnitt weniger glücklich und gesund sind als Menschen mit Job. Wer keine Arbeit hat, fühlt sich oft nicht als wertvoller Teil der Gesellschaft.

Blick auf Blutwerte

Jetzt kommen aber die im Vergleich zu anderen Studien deutlich besseren Daten der Briten ins Spiel. Sie konnten genau aufgliedern, wie die Werte je nach Art der Jobs aussahen. Wer einen gut bezahlten, relativ sicheren Arbeitsplatz fand, hatte Werte, die auf ein deutlich niedrigeres Stresslevel schließen lassen. Dabei beziehen sich die Forscher auf eine Kombination aus Blutfetten, Blutdruck, Cholesterin und diversen anderen Indikatoren, die häufig zur Beurteilung der Gesundheit von Menschen verwendet werden.

Wer aber nur einen schlecht bezahlten Job fand, in dem man entweder kaum selbstständig arbeiten konnte oder der sehr unsicher war, bei dem waren die negativen Blutwerte um die Hälfte höher als bei den Briten, die noch immer keinen Job hatten. Ihr Job machte die Menschen also noch kranker.

Vom STANDARD befragte Fachleute kennen keine vergleichbaren Studien für Deutschland oder Österreich. Ein Papier legt lediglich nahe, dass Arbeitslose in Österreich deutlich schlechtere Werte haben als Menschen mit Job. Da wird aber nicht nach der Qualität der Jobs unterschieden, sagt Ulrike Huemer vom Wifo.

Jobs mit Perspektiven

Für Deutschland gibt es zwar eine Studie aus dem Jahr 2010, sie beruht aber auf weniger verlässlichen Befragungsdaten. In ihr kommen die Autoren aber zum Ergebnis, dass auch Menschen mit schlecht bezahlten, sehr stressigen Arbeitsplätzen glücklicher sind als jene, die gar keinen Job haben.

Für Judith Pühringer, Arbeitsmarktexpertin bei Arbeit plus, ist das Ergebnis der britischen Studie plausibel. "Für jene, die nicht allzu lange arbeitslos sind, klingt das nachvollziehbar." Zu Beginn könne man entspannen, sei frei und noch aktiv. Mit der Zeit ändere sich das aber. Wer länger arbeitslos sei, dem gehe es dann ähnlich schlecht wie mit einem miesen Job. "Wir müssen für sie gute Jobs mit Perspektiven schaffen." (Andreas Sator, 24.8.2017)