Lissabon besinnt sich der Emigranten und legt attraktive Köder aus.

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Es ist höchste Zeit, die seit der Krise ausgewanderten jungen und gut ausgebildeten Portugiesen zurück in ihre Heimat zu locken. Darin sind sich Premier António Costa vom Partido Socialista (PS) und seine von Linksblock und Kommunisten gestützte Minderheitsregierung einig. Ein Programm soll nun die ersten 100.000 Emigranten zur Heimkehr bewegen.

Gemeinsam mit dem Unternehmerbund AEP (Associação Empresarial de Portugal) tritt man gezielt an junge Auslandsportugiesen heran – aktuell ist von bereits über 1000 die Rede –, um sie mit attraktiven Konditionen zu ködern. Neben Staatssubventionen für Jungunternehmer mit Gründerambition will man EU-Förderungen für das Vorhaben erhalten. Neben dem Braindrain gilt es vor allem, der Überalterung der Gesellschaft entgegenzuwirken.

Millionen Portugiesen im Ausland

Die Uno konstatierte für Portugal seit 2013 konstante Emigrationszahlen von über 110.000 pro Jahr. Rund 2,3 Millionen – knapp 22 Prozent der Portugiesen, gemessen an der Gesamtbevölkerung – leben im Ausland. Damit ist Portugal das EU-Land mit dem zweitgrößten Auslandsbevölkerungsanteil nach Malta (24,3 Prozent) und vor Kroatien (20,6 Prozent).

"Rund eine halbe Million Portugiesen sind seit Krisenbeginn ausgewandert, weil sie hier keine Chancen vorfanden", sagt Paula Santos vom Partido Comunista Português (PCP) zum STANDARD. Sie ist seit 2009 Parlamentsabgeordnete. "Eine derartig große Emigrationswelle hat Portugal seit der faschistischen Militärdiktatur unter António de Oliveira Salazar nicht mehr erlebt." Konkret seit den 1960er-Jahren und dem Jahr der Nelkenrevolution 1973, wo letztmals wie 2012–2013 eine Wachstumsrate bei Auswanderern von 50 Prozent pro Jahr gemäß dem Observatorium für Emigration erhoben wurde.

"Die Emigration ist nach wie vor ein Problem", will Santos klargestellt wissen, selbst wenn die Zahl der Auswanderer nach Costas Amtsantritt mit November 2015 nun wieder im Sinken begriffen ist. In erster Linie liege dies an niedrigen Gehältern und Unterbeschäftigung: "Das Prekariat dominiert. Sich unabhängig vom Elternhaus zu emanzipieren, eine Wohnung zu finden und gar eine Familie zu gründen ist fast unmöglich."

Paris als Magnet

"Portugal war stets ein Auswandererland", versucht Maria Filomena Mendes vom Demografischen Institut Portugals zu relativieren: "Diese Tendenz ist nicht nur mit der Krise, dem Davor und Danach zu erklären. Sie ist auch Resultat unserer Vergangenheit, unserer Geschichte und unserer demografischen Entwicklung." Nicht umsonst ist Paris nach Lissabon und Porto die Stadt mit dem größten portugiesischen Bevölkerungsanteil.

"Während sein Vorgänger, der Konservative Pedro Passos Coelho, die junge Generation dazu aufforderte, ins Ausland zu gehen, lädt Costa diese nun dazu ein, doch wieder zurückkommen", sagt André Couto, sozialistischer Bezirkshauptmann von Campolide, einer Gemeinde im Kreis Lissabon: "Wir haben nun gute Perspektiven für junge Menschen und ihre Zukunft in Portugal." Was auch an einer wachsenden Start-up-Szene in Lissabon liege, so Couto, und sich in längst auch in makroökonomischen Daten zeige.

In Portugal ist nach Jahren der fadoesken Tristesse der tiefen Wirtschaftskrise und den Einschnitten der Troika-Rettung 2011 in der Höhe von 78 Milliarden Euro wieder Optimismus greifbar. Die Wirtschaftsleistung wächst rasant, heuer gar mit über drei Prozent, gemäß Ökonomen der Katholischen Universität Lissabon um 2,8 Prozent im zweiten Quartal. Synchron sank mit dem Investment- und Tourismusboom die Arbeitslosigkeit mit Ende des zweiten Quartals auf 8,8 Prozent – den Stand vom Dezember 2008. (Jan Marot aus Granada, 24.8.2017)