Berlin/Ankara – Ausfälle des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan gegen deutsche Politiker sind nichts Neues. Nun aber reicht es SPD-Chef und Kanzlerkandidat Martin Schulz, er schlägt zurück.

Erdoğan, kritisiert Schulz im Bonner "General-Anzeiger", habe jedes Maß verloren: "Herr Erdoğan benutzt die Sprache eines Wirtshausschlägers, aber nicht die Sprache eines Staatsoberhauptes", so Schulz, der an den türkischen Präsidenten appellierte: "Es ist nicht Aufgabe eines Staatsoberhauptes, sich so aufzuführen."

Schulz verbat sich auch Einmischungen aus der Türkei in den deutschen Wahlkampf. Erdoğan hatte in der Vorwoche die wahlberechtigten Türken zum Boykott von drei Parteien aufgerufen. Sie sollen "weder die CDU noch die SPD oder die Grünen" wählen. "Sie sind alle Feinde der Türkei."

In einem Beitrag für den "Spiegel" sprechen sich der deutsche Außenminister Sigmar Gabriel und Justizminister Heiko Maas (beide SPD) für strengere Kontrollen für Vereine und Moscheen in Deutschland aus, die Erdoğan und seiner Partei AKP nahestehen.

Keine Parallelgesellschaft

Es müsse genau geprüft werden, "wen wir hier in Deutschland mit Fördergeldern und gut gemeinter Unterstützung finanzieren". Man dürfe auf "keinen Fall Parallel- oder gar Gegengesellschaften in unserem Land zulassen". Die Replik kam prompt. Europaminister Ömer Çelik warf Gabriel und Außenminister Sebastian Kurz am Mittwoch "Rassismus" vor.

Die heftige Reaktion der SPD ist auch darauf zurückzuführen, dass vor allem sie – sollte der Boykottaufruf Erdoğans auf fruchtbaren Boden fallen – betroffen wäre. Eine Studie des Sachverständigenrats deutscher Stiftungen für Migration (SVR) zeigt, dass türkischstämmige Migranten vor allem mit der SPD sympathisieren.

Es gebe eine "deutliche Neigung zum linken Parteienspektrum", heißt es in der Untersuchung. Dabei stehe die "SPD mit etwa 70 Prozent klar an erster Stelle". 13,4 Prozent neigen den Grünen zu, 9,6 Prozent der Linken.

Mit CDU/CSU sympathisieren nur 6,1 Prozent, was die Studienautoren so erklären: Die Leitkulturdebatte und die Ablehnung des Doppelpasses in der Union seien für viele "befremdlich". (Birgit Baumann, 24.8.2017)