Wien – Deutsche Lebensmitteleinzelhändler sind gewarnt – so wie zuvor die Anbieter aus der Bücherbranche wollen sie sich nicht von Amazon überrollen lassen. Genau das hat der dem US-Onlinehändler jedoch mit seinem vor zwei Monaten gestarteten Angebot Amazon Fresh vor, das bereits in Berlin und einigen anderen deutschen Städten angelaufen ist. Aber die Mitbewerber halten dagegen, etwa der Lebensmittelhändler Edeka, der diese Woche ankündigte, mit seiner Tochter Bringmeister frische Nahrungsmittel in Berlin auszuliefern: Wer bis 14 Uhr bestellt, soll die Waren noch am selben Tag erhalten – und zwar in einem vom Kunden gewählten einstündigen Zeitfenster.

Auch andere Anbieter wie Rewe oder haben Kaufland ihr Angebot um eine Onlineschiene erweitert, dazu kommen reine Onlinesupermärkte wie die DHL-Tochter Allyouneed Fresh. "Im Moment ist der Markt noch im Aufbau", sagt der Allyouneed-Geschäftsführer dem Handelsblatt. "Da ist es eher so, dass jeder weitere Händler, der in diesen Markt eintritt, mehr Öffentlichkeit und Akzeptanz mit sich bringt."

Viel Gedränge

Das Gedränge um den deutschen Markt ist angesichts des Wachstumspotenzials verständlich. Laut dem Meinungsforscher Yougov beträgt das Volumen in Deutschland derzeit rund drei Milliarden Euro, was einem Anteil von einem Prozent des Lebensmittelhandels ausmacht. Laut der Unternehmensberatung EY soll der Kuchen binnen drei Jahren auf zehn Prozent anwachsen – was bereits 17,6 Umsatzmilliarden entsprechen würde. Jedoch schränkt Yougov ein, dass 60 Prozent der Deutschen eine klare Präferenz für Einkäufe in Filialen haben.

Welche Anbieter sich am deutschen Markt dauerhaft durchsetzen werden, hängt wohl von der Strategie und Zielgruppe ab. Geradezu prädestiniert sind Familien, um den Wocheneinkauf von zu Hause aus zu erledigen, Senioren oder anderen Personen mit Mobilitätseinschränkungen sowie die Landbevölkerung mit weiten Wegen zum nächsten stationären Anbieter. Allerdings agieren in Deutschland nur wenige Anbieter wie Allyouneed Fresh flächendeckend.

Stolperstein Logistik

Herausfordernd ist hingegen die Bedienung von Singlehaushalten: Einerseits können Mindestbestellsummen und Lieferkosten zur Hürde werden, noch viel mehr jedoch die Zustellung: Kann die Lieferzeit nicht gewählt und eingeengt werden wie bei Bringmeister, sind Onlineeinkäufe für Alleinwohnende wenig praktikabel.

Über Pläne von Amazon, das Fresh-Angebot auch in Österreich auszurollen, ist nichts Konkretes bekannt – Branchenkenner rechnen mit einem Markteinstieg innerhalb von drei Jahren. Bisher teilen sich Großhandelsketten den Onlinemarkt mit regionalen Zustellunternehmen und Start-ups. Trotz stark wachsender Bestellzahlen rentiert sich das Onlinegeschäft für die Handelsketten bisher kaum. Der Grund dafür sind hohe Logistikkosten. (aha, 24.8.2017)