Foto: Petra Eder

Pro
von Karin Tzschentke

Welchen Teil eines Kleidungsstücks fasst sein Träger wohl am häufigsten an? Es ist der Knopf. Und doch fällt einem ein Knopf erst dann auf, wenn er fehlt. Meist an exponierter Stelle. Zum Beispiel bei Blusen auf Brusthöhe, den Blick auf mehr oder weniger reizvolle Wäscheteile offenbarend. Oder am Hosenbund, der ohne klaffend absteht.

Wohl dem, der eines von diesen Schatzkästchen aus Blech oder Karton besitzt, die sich über die Jahrzehnte hinweg mit einer schier unübersichtlichen Menge an (Reserve-)Knöpfen gefüllt haben. Sofort ins Auge springt darin ein roter mit Perlmutt, der einst ein Seidengilet zierte. Das Gilet gibt es nicht mehr, doch beim Anblick des Knopfes kommt mir der Moment hoch, wie ich es mit meiner besten Freundin in Paris gekauft habe.

Gewiss, von den meisten Knöpfen in meiner Schachtel weiß ich nicht mehr, an welchen Kleidungsstücken sie befestigt waren. Auch findet man nur selten einen hundertprozentig passenden Ersatzknopf, denn Knopf ist nicht gleich Knopf. Doch allein das Wühlen in der Schachtel ist schon des Aufhebens wert.

Kontra
von Markus Böhm

Neulich beim alljährlichen Kleiderschrankausmisten – einem Bedürfnis, das mich just immer am Ende des Sommerurlaubs überkommt – tauchten sie wieder auf, jene Relikte längst vergangener Modesünden: fragwürdige T-Shirts, Hosen, mittlerweile ein bisserl eng um die Leibesmitte und daher die Wampe betonend, und haufenweise Knöpfe, Knöpfe, Knöpfe.

In allen Farben, Größen, Formen kullern sie aus den hintersten, dunklen Winkeln des Kastens zurück ins helle Bewusstsein.

Eine Zeitlang habe ich mir die Mühe gemacht, mich auf quasi forensische Spurensuche zu begeben, habe versucht, den jeweiligen Knopf dem längst verblichenen Poloshirt, Hemd, Mantel zuzuordnen. Ich habe mir dann die Frage gestellt: Warum hast du die Dinger aufgehoben? Und eine fiese kleine Stimme antwortete: weil du tief im Inneren ein Spießer bist, der auf Nummer sicher gehen will. Diese Knöpfe sind deine stille Reserve, trügerisches Beruhigungsmittel, sinnlose Nostalgie. Damit ist jetzt Schluss: Loslassen kann so befreiend sein. (RONDO, 25.8.2017)