Ein Blick von der chinesischen Grenzstadt Dandong auf den Fluss Yalu. Auf der anderen Seite befindet sich die nordkoreanische Stadt Sinuiju.

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Peking – Peking wurde von der neuen Sanktionsrunde der USA gegen Nordkorea überrascht, zumal diese auch seine eigenen Unternehmen betrifft. US-Finanzminister Steven Mnuchin gab in Washington neue Maßnahmen bekannt, mit sogenannten Sekundärstrafen "auch diejenigen ins Visier zu nehmen, die die Weiterentwicklung des Atom- und Raketenprogramms Pjöngjangs unterstützen".

Die unilateral verhängten Strafen richten sich nicht gegen Pjöngjang. An den Pranger stellte Mnuchin stattdessen zehn Unternehmen aus China und Russland und sechs Einzelpersonen. Sie würden über ihre Handels- und Bankgeschäfte indirekt Machthaber Kim Jong-uns Atomprogramme finanzieren und damit UN-Sanktionen unterlaufen. Ihre Bestrafung ist Teil der US-Strategie, dem Regime alle Geldquellen zu verstopfen.

Sechs der zehn Unternehmen operieren in China, vor allem in der Grenzstadt Dandong. Die Botschaft der Volksrepublik in Washington forderte das US-Finanzministerium auf, "seine fehlerhafte Entscheidung sofort zu korrigieren". Im fernen Peking verstrich fast ein Tag, bevor sich das Außenministerium äußerte. Sprecherin Hua Chunying antwortete zurückhaltend: "Diese Aktion hilft weder das Problem mit Nordkorea zu lösen, noch dient sie dem gegenseitigen Vertrauen und der Kooperation Chinas mit den USA."

Überprüfung der Vorwürfe

Beides ist derzeit angeknackst. Auf Aufforderung von Präsident Donald Trump leitete gerade erst der US-Handelsbeauftragte eine Überprüfung zahlreicher Vorwürfe gegen China ein. Die Volksrepublik verschaffe sich im beiderseitigen Wirtschaftsaustausch Vorteile durch unfaire Handelspraktiken und Copyrightverletzungen. Für den Fall, dass der Handelsbeauftragte die Vorwürfe bestätigt und Strafmaßnahmen ergreift, droht Peking den USA mit einem Handelskrieg.

Auf den ersten Blick scheinen beide Vorgänge nichts miteinander zu tun zu haben. Doch gemein ist ihnen, dass sich die USA in beiden Konflikten mit China auf ihr einheimisches Recht stützen. Washington geht dabei weder den Weg über die Schiedsstellen der Welthandelsorganisation (WTO) noch den Weg der Anrufung der Vereinten Nationen.

Die USA greifen gegenüber China zum zweiten Mal zum Mittel der sekundären Sanktionen gegen Drittländer. Auch im Juni bestraften sie chinesische Unternehmen, darunter eine regionale Bank in Dandong, wegen Mithilfe zur Geldbeschaffung oder Geldwäsche für Nordkorea. Seit Amtsantritt von Donald Trump setzte das Finanzministerium nach Angaben der südkoreanischen Nachrichtenagentur Yonhap 23 Unternehmen und 22 Personen in Drittländern auf seine Sanktionsliste, die meisten darunter aus China.

Hilfe für Nordkorea

Zu den diesmal Beschuldigten, deren Konten und Beziehungen in den USA ab sofort eingefroren sind, gehören nach Angaben des US-Finanzministeriums Unternehmen der Mineralien- und Handelsbranche: darunter die Dandong Zhicheng Metallic Materials Co., die Dandong Chengtai Trading Ltd., Jin Hou International Holding Co., Ltd. und Dandong Tianfu Trade Co., Ltd. Ergänzend meldete Hongkongs "South China Morning Post" (SCMP), dass auch die Dandong Rich Earth Trading Company dazugehöre. Sie alle hätten mit ihren Geschäften nordkoreanischen Unternehmen der Rüstungsindustrie geholfen, sich über Exporte von Kohle und Erzen wie Vanadium zu finanzieren.

Peking rechnete offenbar nicht mit dem neuen Strafkatalog. In der Nacht auf Mittwoch hatte die amtliche Nachrichtenagentur Xinhua noch gemeldet, dass US-Außenminister Rex Tillerson mit der Wirkung der bisherigen UN-Sanktionen gegen Nordkorea zufrieden sei, also keinen Nachschlag verlange. Pjöngjang zeige, so Tillerson, seither eine Bereitschaft, sich zurückzuhalten, "wie wir sie in vergangener Zeit nicht gesehen haben".

Am 5. August hatte der UN-Sicherheitsrat mit den Stimmen Chinas und Russlands ein Paket scharfer Sanktionen als Antwort auf Pjöngjanger Raketentests erlassen. Darin wurde verboten, Kohle, Eisen, Blei, Mineralien, Erze sowie Meeresfrüchte von Nordkorea zu importieren. UN-Berechnungen zufolge würden dadurch Nordkoreas Exporte ins Ausland um mindestens eine Milliarde Dollar pro Jahr reduziert werden können. Laut Angaben der Hongkonger "South China Morning Post" habe Peking als größter Handelspartner den Löwenanteil der Verluste durch die Sanktionen zu tragen. 2016 habe Nordkorea noch Kohle, Eisen- und Bleierze sowie Meeresfrüchte im Wert von 1,5 Milliarden US-Dollar an China verkauft – oder 60 Prozent alle seiner Exporte.

US-Druck kam unerwartet

China hat wohl auch deshalb keinen weiteren Druck vonseiten der USA erwartet, weil es auf die Wirkung seiner Propaganda vertraute, wie mustergültig es die UN-Sanktionen umsetze. Seit dem Treffen zwischen Staatschef Xi Jinping und Trump im April habe das Land nicht nur aufgehört, nordkoreanische Kohle zu kaufen, sondern demonstrativ in seinen Häfen wartende nordkoreanische Kohlefrachter zurückgeschickt, ohne sie entladen zu lassen.

Chinas Zoll meldete für das erste Halbjahr 2017 einen Rückgang von 13 Prozent aller chinesischen Importe aus Nordkorea auf 880 Millionen US-Dollar, berichtete die "Global Times" . In einer Serie von Artikeln beschreibt sie seit Tagen die Probleme des chinesischen Fischergewerbes an der Grenze seit dem Stopp der Einfuhren nordkoreanischer Meeresfrüchte. Da früher 80 Prozent der Krebse aus Nordkoreas Meeren stammten, hätten die Märkte schließen müssen. Das gelte auch für alle Fische. Das Geschäft mit den Meeresfrüchten würde allein ein Drittel der Deviseneinnahmen Nordkoreas ausmachen, schrieb die "Global Times".

Die Volksrepublik war einst der engste politische Verbündete Pjöngjangs. Sie hat auch weiterhin geopolitische und -strategische Interessen, das Kim-Regime am Leben zu halten, und ist bis heute dessen größter Wirtschaftspartner. China wickelte vergangenes Jahr 91 Prozent des gesamten nordkoreanischen Handels ab und über 80 Prozent der nordkoreanischen Einfuhren von Öl und Nahrungsmitteln. (Johnny Erling aus Peking, 24.8.2017)