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Außerhalb Italiens ist der Reiz, der von Silvio Berlusconi ausgeht, oft nur schwer nachvollziehbar. In den Umfragen legt der Expremier wieder zu.

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Wien/Rom – Silvio Berlusconi ist zurück, zumindest finden seine Worte unter Investoren wieder Beachtung. Am Wochenende befürwortete der vierfache italienische Expremier in einem Interview mit der Tageszeitung "Libero Quotidiano" die Einführung einer Parallelwährung zum Euro in Italien. Das würde der angeschlagenen Wirtschaft des Landes helfen, so Berlusconi.

Die Risikoaufschläge, die Investoren verlangen, um dem italienischen Staat Geld zu borgen, zogen daraufhin so stark an, wie seit einem Monat nicht mehr. Italiens Expremier hat sich nicht das erste Mal kritisch zum Euro geäußert. Doch der 80-jährige Politiker und Großunternehmer ist gerade dabei, ein neues Programm für seine Forza Italia ausarbeiten zu lassen. Die Italiener werden spätestens im Frühjahr 2018 wählen. Die Aussicht, dass eine weitere Partei einen Anti-Euro-Kurs einschlägt, bewegt offenbar die Märkte.

Unzufriedene Italiener

Die Diskussionen über eine Parallelwährung zeigen aber auch, wie groß die Unzufriedenheit vieler Italiener mit dem Euro ist. Neben der Forza Italia sympathisiert die Lega Nord mit Ideen für eine Parallelwährung. Die Fünf-Sterne-Bewegung des Komikers Beppe Grillo will ein Referendum über einen Euro-Exit abhalten. Laut einer Analyse der Citi Bank würden aktuell zwei Drittel der italienischen Wähler einer Anti-Euro-Partei ihre Stimme geben.

Italiens Wirtschaft ist seit 15 Jahren nicht mehr gewachsen, die Wirtschaftsleistung pro Kopf ist niedriger als zur Zeit der Euro-Einführung. Viele Bürger geben dem Euro die Schuld. Was würde eine Parallelwährung daran ändern?

"Die aktuell diskutierten Ideen sind unterschiedlich ausgereift", sagt Thomas Fazi, der sich als Autor zahlreicher Bücher ("The Battle for Europe") mit den ökonomischen Herausforderungen und Globalisierungsfragen in Italien beschäftigt. Berlusconis Vorschläge seien nicht ernst zu nehmen, sagt Fazi. Denn der Expremier schlage die Einführung einer richtigen Währung neben dem Euro vor, was mit geltendem EU-Recht schlicht nicht vereinbar wäre.

Alternative zu starren Regeln

Für interessanter hält Fazi eine Idee, die von der Forza Italia forciert wurde, die aber auch in linken Kreisen Unterstützer hat. Das Modell würde folgendermaßen funktionieren: Der Staat gibt keine Währung aus, sondern Steuergutschriften. Der Inhaber wäre berechtigt, in der Zukunft, in zwei oder drei Jahren, seine in Euro laufenden Steuerschulden beim Staat mit den Gutschriften zu begleichen.

Unternehmer und auch Bürger könnten die Finanzpapiere als Zahlungsmittel nutzen, etwa um für Aufträge oder im Restaurant zu bezahlen. Der Clou ist, dass die Ausgabe der Gutschriften laut geltenden Regeln das Staatsdefizit nicht erhöhen würde. Italien könnte also den Bau neuer Schulen, Zugverbindungen und Straßen finanzieren und so die Konjunktur ankurbeln. Die Regeln in der Eurozone begrenzen die Möglichkeiten der Neuverschuldung.

Kalifornien als Best Practice

Die Turbulenzen eines Euroaustritts würde man sich mit einer Parallelwährung ersparen, sagen Ökonomen wie Claudio Borghi, der die Lega Nord berät. Wenn der Staat die Gutscheine retour erhält, stünde er vor einer Herausforderung. Denn ihm fehlen in diesem Moment Euro-Einnahmen, um seine Staatsschulden zu bezahlen. "Doch die Hoffnung ist, dass dieser Entfall durch die bessere Konjunktur kompensiert wird", sagt Buchautor Fazi.

Mit Parallelwährungen gibt es zudem Erfahrungen: Kalifornien bezahlte seine Schulden 2009 eine Zeit lang mit Gutschriften. 2015, auf dem Höhepunkt der Griechenland-Krise, prüfte die Europäische Zentralbank, ob Griechenland Zahlungen, etwa an Beamte, mit Steuergutschriften leisten kann.

Mehrere Ursachen

Trotzdem gibt es Zweifel an derartigen Überlegungen. Buchautor Fazi glaubt nicht, dass die Ausgabe von einigen Milliarden an Steuergutschriften ausreicht, um Italiens Wirtschaft anzukurbeln. Für das schwache Wachstum gibt es mehrere Ursachen, sagt er, etwa die verbreitete Korruption im privaten wie öffentlichen Bereich. Dagegen hilft eine Parallelwährung nicht. Die EU-Kommission sieht überhaupt in verschleppten Reformen und in einer schwerfälligen Bürokratie das Hauptproblem.

Die Ausgabe von Steuergutschriften könnte zudem auf juristische Hürden im EU-Recht stoßen. Die Ausgabe der Gutschriften würde zudem wahrscheinlich den Schuldenstand des Landes erhöhen. Die Entscheidung darüber trifft die Statistikbehörde Eurostat, also die EU-Kommission.

Ob die Debatten über Euroalternativen abflauen oder an Fahrt gewinnen, hängt laut Fazi davon ab, wie sich Italiens Wirtschaft entwickelt. Getrieben durch Exporte hat die Konjunktur zuletzt etwas angezogen. Der Inlandskonsum ist aber weiter sehr schwach. (András Szigetvari, 25.8.2017)