Die Politik setzt auf Maßnahmen, die für die Verbraucher "leistbar" sind, und nicht auf solche, die notwendig sind, um die Emissionsreduktion zu erreichen.

Foto: APA/dpa/Julian Stratenschulte

An die regelmäßigen Nachrichten über den bevorstehenden Klimawandel und an die regelmäßigen Einwände, dass es Klimaschwankungen schon immer gegeben habe, haben wir uns gewöhnt. Daran werden vermutlich auch Ereignisse wie das Abbrechen riesiger Eismassen in der Antarktis oder Hitzewellen und Unwetter wie im heurigen Sommer nichts ändern.

Ebenso gewöhnt haben wir uns an die regelmäßigen Aussagen hochrangiger Persönlichkeiten zum Thema Klimaschutz, wie jüngst wieder beim R20-Kongress in Wien: "Der Klimawandel bedroht das Leben auf der Erde, wir müssen dringend etwas dagegen tun." So weit, so gut. Aber hören wir das nicht schon seit nunmehr 25 Jahren – seit der Weltklimakonferenz in Rio de Janeiro 1992 –, und müssen wir nicht feststellen, dass wirksame Maßnahmen gegen den Klimawandel bis heute ausgeblieben sind?

Notwendig: Reduktion der Emissionen

Worum geht es? Die Hauptursache für den Klimawandel ist der Anstieg der CO2-Konzentration in der Atmosphäre. Dieser ist überwiegend die Folge der CO2-Emissionen aus dem Einsatz der fossilen Energieträger Erdöl, Erdgas und Kohle. Um die CO2-Konzentration in der Atmosphäre zu stabilisieren, wird die Reduktion der globalen CO2-Emissionen auf circa 20 Prozent des Wertes von 1990 (21,6 Milliarden Tonnen CO2 pro Jahr) als notwendig angesehen. Das langfristige Ziel ist also die Reduktion der Emissionen auf 4,3 Milliarden Tonnen CO2 pro Jahr. Bis zum Jahr 2016 sind die jährlichen Emissionen aber auf 33,5 Milliarden Tonnen angestiegen!

Dabei kann man durchaus Erfolge beim Umstieg auf CO2-freie erneuerbare Energieträger feststellen; ohne diesen Umstieg würde die Bilanz noch dramatischer aussehen. Zur Erreichung des bei der Pariser Weltklimakonferenz 2015 bestätigten 20-Prozent-Ziels – dahingehend konkretisiert, dass bis 2050 Maßnahmen gesetzt werden müssten, die den Anstieg der mittleren Temperatur der Erdatmosphäre auf unter zwei Grad Celsius begrenzen – haben wir also noch knapp 35 Jahre Zeit.

"Marktversagen" im Energiebereich

Wo stehen wir heute? Seit Mitte der 1970er-Jahre laufen – ausgelöst durch die Ölpreiskrise Ende 1973, später intensiviert wegen des erkannten Klimaproblems – Forschungsarbeiten, die schon sehr bald zwei klare Erkenntnisse lieferten: Erstens, seit Anfang der 1980er-Jahre wissen wir, dass erneuerbare Energie in ausreichendem Maße verfügbar ist und mit heute einsetzbaren Techniken gewonnen werden kann, um das 20-Prozent-Ziel zu erreichen. Zweitens, seit Anfang der 1990er-Jahre wissen wir, dass die Kosten des Einsatzes erneuerbarer Energie für die Verbraucher auf absehbare Zeit höher sein werden als jene der fossilen Energie – aus heutiger Sicht inflationsbereinigt etwa doppelt so hoch.

Das heißt, solange die fossilen Energieträger vergleichsweise billig verfügbar sind – die Kohlereserven reichen für mehrere Jahrhunderte, die Preise für Erdöl und Erdgas könnten noch gesenkt werden –, wird die notwendige breite Markteinführung der erneuerbaren Energie nicht stattfinden, was man als "Marktversagen" bezeichnet. Die Markteinführung wird also nur mit einschneidenden ordnungspolitischen Maßnahmen erreichbar sein, zum Beispiel mit Steuern auf die fossilen Energieträger oder mit vorgeschriebenen Einsatzquoten für erneuerbare Energie. Der Zeitpunkt, diese Perspektive auch nur anzudeuten, scheint für die Politik noch nicht gekommen zu sein.

Zögerliche Politik

Um trotzdem Engagement in Sachen Klimaschutz zu zeigen, werden Initiativen ins Leben gerufen, die beim Verbraucher keine direkten Mehrkosten verursachen, zum Beispiel: die Einrichtung von "Energie-Regionen", die Vergabe von "Energie-Auszeichnungen" und die Förderung von Investitionen an Gebäuden (Heizen mit erneuerbarer Energie, Fotovoltaik-Anlagen auf dem Dach). Diese Initiativen sind zwar lobenswert, können aber in Summe nur einen Bruchteil der notwendigen Reduktionen bringen, also weltweit vielleicht einige hundert Millionen der notwendigen Milliarden Tonnen CO2 pro Jahr.

Günter Pilch brachte es kürzlich in der "Kleinen Zeitung" auf den Punkt: Die Regierung produziert ein Wohlfühlpapier zum Klimaschutz nach dem nächsten und duckt sich eilig weg, sobald es wirklich ernst zu werden droht. Vor diesem Hintergrund kommt der Politik die Debatte um die Dieselfahrzeuge nicht ungelegen: Hier kann man Engagement für die Umwelt zeigen, die für die Lösung des Problems anfallenden Kosten – zu Recht – der Industrie zuordnen und die Verbraucher (Wähler) schonen. Wenn es nebenher gelänge, die Lösung des Dieselproblems auch mit dem Klimaschutz in Verbindung zu bringen – was nicht möglich ist –, verspräche dieses Engagement scheinbar einen doppelten Erfolg.

Keine weiteren Pönalen

Wie kam es zu dieser Situation, und was können wir erwarten? Als ersten Schritt hat 1997 eine Mehrheit der Staaten im Kyoto-Protokoll mehr oder weniger verbindlich eine durchschnittliche globale fünfprozentige Reduktion der Emissionen gegenüber 1990 vereinbart, zu erreichen bis 2012. Die EU-Länder haben sich zu einer achtprozentigen Reduktion bis 2012 durchgerungen und verpflichtet, was 2012 mit einiger Mühe auch gelungen ist.

Die Erfahrung daraus und die Erkenntnis, dass jeder weitere Prozentpunkt teurer sein wird als die ersten acht Prozentpunkte, haben dazu geführt, dass seither keine weiteren verbindlichen und mit Pönalen versehenen Vereinbarungen geschlossen wurden. Auch in der 2015 in Paris – mit großem Beifall – unterzeichneten Vereinbarung wird nur festgestellt, dass man "… alles unternehmen wird, den Temperaturanstieg unter zwei Grad Celsius zu halten ...".

Und Österreich?

Was Österreich unternehmen wird, steht im Arbeitsprogramm der Bundesregierung vom Jänner 2017: "Bis Sommer 2017 wird die gemeinsame integrierte Energie- und Klimastrategie der Bundesregierung fertiggestellt und im Ministerrat beschlossen. Ziel ist eine Strategie, die aus volkswirtschaftlicher Sicht das Optimum für Österreich bringt ... Das Zielquadrat Nachhaltigkeit, Wettbewerbsfähigkeit, Leistbarkeit, Versorgungssicht sowie EU 2030 & Pariser Klimaziele bilden den Rahmen ...".

In diesem "Zielquadrat" sind allerdings bereits jene Hintertüren (Wettbewerbsfähigkeit, Leistbarkeit) genannt, die es ermöglichen sollen, auf den wichtigsten Schritt zu verzichten: ordnungspolitische Maßnahmen, die eine Verteuerung der fossilen Energieträger zur Folge haben. Der Termin Sommer 2017 ist wegen der vorzeitigen Nationalratswahl verstrichen; was bisher im Wahlkampf zum Thema Klimaschutz gesagt wurde, lässt allerdings keine grundsätzliche Änderung der gegenwärtigen politischen Positionen erwarten.

"Leistbare" Maßnahmen, nicht notwendige

Somit ist zu befürchten, dass der Schwerpunkt weiterhin auf Maßnahmen gelegt wird, die für die Verbraucher (Wähler) "leistbar" sind, und nicht auf solche, die notwendig sind. Da diese Perspektive weitgehend für alle Industrie- und Schwellenländer gilt, wird man in den nächsten Jahren global gesehen zwar einige hundert Millionen Tonnen CO2 pro Jahr weniger emittieren, die notwendige Einsparung von Milliarden Tonnen aber nicht erreichen.

Vor dem Hintergrund der aktuellen Prioritäten in der Europa- und Weltpolitik ist nicht zu erwarten, dass die für eine einschneidende Neuorientierung der Energieversorgung notwendigen Maßnahmen zur Erreichung des 20-Prozent-Ziels in absehbarer Zeit gesetzt werden können. (Josef Spitzer, 25.8.2017)