Katharina Böhm ist ab 8. September am Freitagabend in ORF 2 und ZDF wieder "Die Chefin".

Foto: ZDF und Michael Marhoffer

STANDARD: Den Freitagskrimi kennzeichnen einige eherne Gesetze: 50 Minuten, keine Gewalt, der Ermittler ist ein Mann, und der Mörder muss immer gefasst werden. Mit der ersten "Chefin" in Spielfilmlänge werfen Sie alle diese Gesetze über Bord. Wie kam's?

Böhm: Gut, das liegt nicht nur an mir. Wir sind ein permanentes Team von circa sechs Menschen, die von Anfang an um die Sache sehr kämpften. Wir bastelten von Beginn an gemeinsam an der "Chefin" und versuchen das Maximum aus dem Ganzen herauszuholen in dem Rahmen, in dem das im ZDF und im ORF um diese Uhrzeit möglich ist. Es ist ein Balanceakt, wir wollen auch niemanden vor den Kopf stoßen.

STANDARD: Sicher gibt es No-Gos an diesem Sendeplatz. Sind Sie da schon abgeblitzt mit Ideen?

Böhm: Ja, natürlich. Das ist Senderstrategie und für mich auch in Ordnung. Wir kämpfen darum, unsere Authentizität zu behalten, und schauen auch darauf, dass uns nicht langweilig wird. (lacht) Wir haben immer noch eine große Freude an dem Format.

STANDARD: Die Chefin Vera Lanz ist ein Gegenentwurf – eine Persönlichkeit, die nicht den gängigen Schönheitsidealen entspricht, meistens schlechte Laune hat ...

Böhm: Es ist keine schlechte Laune, sondern Pragmatismus. Wenn es um brisante Fälle geht, ist man einfach nicht locker-flockig. Ich werde das öfter gefragt, was mich immer verwundert, denn wenn ein Mann sich so verhält, ist das nämlich gar kein Thema.

STANDARD: Es zeichnet Sie ja aus, dass Sie diesen Mut aufbringen, sich so zu zeigen. Der Freitagskrimi war bisher eine totale Männerbastion. Wie konnten Sie die durchbrechen?

Böhm: Ganz ehrlich, sehr zufällig. Das ZDF wollte die Serie am Samstagabend um 21.45 Uhr, deshalb durften wir in den ersten vier Folgen so viel tun. Meinem Liebhaber – ich habe ein Verhältnis mit einem verheirateten Mann, schon allein das! – wird von hinten in den Kopf geschossen, und sein Gehirn spritzt in mein Gesicht. Das hätten wir unter normalen Umständen am Freitagabend nicht durchgekriegt. Aber diese ersten Folgen gefielen dem Sender anscheinend, und so haben sie gesagt, wir versuchen es.

STANDARD: Für Aufsehen sorgte zuletzt die Studie von Maria Furtwängler über die Nichtsichtbarkeit von Frauen in Film und Fernsehen. Wie kommt man dem bei – mit der Quote?

Böhm: Solche Studien sind ganz wichtig, weil sie der Gesellschaft einen Spiegel vorhalten und zeigen, dass unsere Gesellschaft beim Frauen- und Männerbild sehr viel verwirrter ist, als wir dachten. Vor ungefähr 15 Jahren geisterte das Wort "frauenaffiner Eskapismus" in den Sendern herum und bezeichnete eine Idee, wie Frauenfiguren funktionieren müssten. Bei einer solchen Art von Manipulation kriege ich Krätze, und in gewisser Weise wäre auch die Quotenregelung Manipulation.

STANDARD: Die Studienautorin sagt, dass sich ohne Quote nichts ändern wird.

Böhm: Es ist unsere Gesellschaft, die sich verändern muss und es auch wird. Ob wir das noch erleben? Große Frage. Bei einem Gesetz für die Quote habe ich ein ungutes Gefühl, weil alles geregelt ist. Das nimmt dem Menschen das Denken weg.

STANDARD: Welche Erfahrungen haben Sie mit stereotypen Darstellungen gemacht – im Speziellen nach Ihrer ersten großen Rolle bei den Guldenburgs?

Böhm: Ich ging für fünf Jahre an die Josefstadt. Ich habe meine Karriere nie kalkuliert, aber wo ich aufwuchs, hieß es lange Zeit, wenn du nur Filme machst, bist du kein Schauspieler. Ich fühlte mich nicht vollständig, solange ich nicht Theater gespielt hatte. Als ich an die Josefstadt kam, wurde ich von einigen Leuten noch sehr belächelt.

STANDARD: Fernsehen war Absteige.

Böhm: Film und Fernsehen galten als nicht reale Glamourwelt, Theaterschauspieler hielten das für Pipifax. Das war auch in meinem Kopf, vielleicht auch durch meinen Vater, weil auch er lange Zeit versucht hat, von einem Image wegzukommen. Er musste viele Grenzen überschreiten, um das zu überwinden.

STANDARD: Hat Sie Ihr Vater gewarnt vor bestimmten Rollen, die Sie in Schubladen ablegen könnten?

Böhm: Nein, das war eher meine Mutter. Sie hat mich aber nicht gewarnt, sondern mit mir geredet, inwiefern mich das Schauspielen beeinflussen könnte. Sie sagte, bleib auf dem Boden, heb nicht ab, wenn du jetzt Erfolg hast, heißt das gar nichts. Mein Vater hat mit mir über meine Auftritte geredet, und dann ging es relativ bald in die Richtung, dass er alles ganz toll fand. (lacht)

STANDARD: Waren Sie immer zufrieden mit den Angeboten, die reinkamen?

Böhm: Ich bin ein Mensch, der generell ohne Konjunktive lebt, und hatte nie einen bestimmten Plan. Natürlich war ich unglücklich mit Regisseuren, wenn ich als junges Mädchen ziemlich hart angefasst wurde. Das war damals viel mehr so als heute. Grundsätzlich habe ich alles, was ich gemacht habe, mit großer Freude gemacht.

STANDARD: Was meinen Sie mit "hart angefasst"?

Böhm: Von gewissen Regisseuren. Ich treffe zum Beispiel bis heute die Platzierungsmarken für die Kamera blind, weil ich als junge Schauspielerin so zusammengeschissen wurde, wenn ich sie nicht zu hundert Prozent traf. Ich habe leider auch erlebt, dass sich ein Regisseur darüber mokiert hat, dass mein Körper nicht seinen Vorstellungen entsprach – und zwar öffentlich vor dem gesamten Team.

STANDARD: Wie haben Sie reagiert?

Böhm: Ich hatte immer das Glück, starke Frauen um mich zu haben. Heute sagt das natürlich keiner mehr, das sind die Vorteile des Alters, aber es ist auch ein großer Vorteil, dass ich heute sagen kann: Wisst ihr, was, Leute, ich zieh mich nicht vor der Kamera aus, ihr könnt mich mal kreuzweise! (lacht) Ich habe nichts gegen Nacktheit, es gibt aber Filme, in denen es Selbstzweck ist, und das interessiert mich dann gar nicht.

STANDARD: Hatten Sie es als Tochter berühmter Eltern doppelt so schwer, aus Stereotypen rauszukommen?

Böhm: Nein, das hält sich die Waage. Es war ein Vorteil, weil Leute meinen Namen auf der Platte hatten, sie konnten mich schneller einordnen, und darum geht es bei Besetzungen ganz oft. Der Nachteil war ebenso klar, nämlich dass es schnell hieß, ja, das ist ja die Tochter von Karlheinz Böhm, und da muss man sich stärker beweisen.

STANDARD: Wie erlebten Sie das Interesse der Boulevardpresse?

Böhm: Abgesehen davon, dass ich es schon als Kind nicht leiden konnte, fotografiert zu werden, gab es zu der Zeit die richtige Regenbogenpresse noch nicht. Es wurde eine gewisse Intimsphäre gewahrt. Später wurde es stärker, von der Trennung meiner Eltern erfuhr ich von der "Bild". Um vier Uhr nachts hat dieser Herr ins Telefon geplärrt, dass mein Vater eine Freundin hat, da war ich 15. Er dachte, ich wäre meine Mutter. Mein Großvater wurde von "Bild" als blind bezeichnet – so bin ich groß geworden. Ein Redakteur von "Quick" hat mich später in Wien ins Steirereck zum Essen eingeladen und mich wunderbar zugefüttert und dann abgefüllt. Ich habe ihm Sachen erzählt, die werde ich mein ganzes Leben bereuen, aber es war eine gute Lehre: Ich werde nie wieder bei einem Interview etwas trinken. (Doris Priesching, 8.9.2017)