Dietger Frank zählt auf: "absichtliche schwere Körperverletzung, Diebstahl, Einbruch." Insgesamt sieben Jahre verbrachte Frank, 28, aus Wien, im Gefängnis. Einmal viereinhalb Jahre, einmal zweieinhalb.
Patrick Bayer, 30, aus Zwettl hat Drogen "quer durch die Palette" konsumiert. Anfangs Marihuana, später Heroin, Kokain. In Wien, sagt er, sei er an falsche Freunde geraten. "Ich war kurz davor, auf der Straße zu landen."
Khaled Saleh hat in Syrien Rechtswissenschaften studiert. Vor zwei Jahren floh der 30-Jährige vor dem Krieg nach Österreich.
Gemeinsam mit Emeka Samuel Ichoku, Muhammad Ahmadi, Saied Sajad Mosawi, Hashem Hosaini und Aruntas Abullah flogen Frank, Bayer und Saleh am Montag nach Oslo. Sie bilden Österreichs Team beim Homeless World Cup, der am Dienstag in Norwegens Hauptstadt beginnt.
Obdachlose, ehemalige Obdachlose, Flüchtlinge, Personen, die einen Drogen- oder Alkoholentzug machen bzw. kürzlich hinter sich gebracht haben, sind bei dem Internationalen Straßenfußballturnier teilnahmeberechtigt.
"Seit einem halben Jahr bin ich komplett abstinent", sagt Patrick Bayer. Der Entzug gelang ihm im stationären Suchtbehandlungszentrum des Vereins "Grüner Kreis" in Krumbach (Niederösterreich). 18 Monate verbringt Bayer in der Einrichtung. Im Oktober wird er eine Ausbildung zum Sozialpädagogen absolvieren.
Früher hat Bayer beim Arbeitsmarktservice als Berater für Jugendliche gearbeitet. "Mir hat der Job voll getaugt." Früher hatte Bayer eine Freundin, die er "sehr geliebt" hat. Er verlor den Job, er verlor die Freundin. "Die Sucht", sagt er, "war stärker".
Die Eltern bestohlen
Um an Drogen zu kommen, bestahl er sogar seine Eltern. "Ich habe mich über meine Werte hinweggesetzt, meine Gefühle waren taub." Bayer hat versucht, selbst von den Drogen loszukommen. "Ich dachte, ich bin gar nicht so süchtig." Er kam nicht los und entschloss sich irgendwann zu einer stationären Behandlung.
Auch Dietger Frank war suchtkrank. Alkohol, Kokain, Heroin. Als er aus der Haft entlassen wurde, war er die Sucht los – und obdachlos. Ein Jahr lang lebte er in einem Männerheim. Mittlerweile wohnt er in einer Gemeindewohnung. Bald möchte er eine Lehre beginnen. Aus seinen früheren Fehlern hat er gelernt, sagt er. Und der Gefängnisaufenthalt hatte zumindest einen positiven Aspekt. "Da habe ich wieder mit dem Fußball angefangen."
Eigentlich ist Frank Feldspieler – er kickt in einer Kleinfeldliga – in Oslo gibt er den zweiten Goalie. 2003 fand der Homeless World Cup erstmals statt. Initiiert von der Caritas Steiermark und vom Internationalen Netzwerk von Straßenzeitungen, richtete Graz das Turnier im Rahmen des Kulturhauptstadt-Jahres aus. Gedacht war es als einmalige Veranstaltung. Die Sache hat sich ausgeweitet. 74 Nationen sind mittlerweile dabei.
Das Turnier in Norwegen ist die 15. Ausgabe. Jeder Spieler, jede Spielerin darf nur einmal am Homeless World Cup teilnehmen. Bei den Frauen stellt Österreich heuer noch kein Team, bei den Männern war man bisher immer dabei. Gilbert Prilasnig gibt zum 14. Mal den Trainer. Der 44-jährige Kärntner spielte 16 Mal im Nationalteam, mit Sturm Graz wurde er zweimal Meister und dreimal Cupsieger.
Anfang April wählte er bei Sichtungstrainings den Kader für Oslo aus. Nicht nur fußballerische Fähigkeiten spielten bei der Auswahl eine Rolle, auch die Lebenssituation der Kicker. "Bei Asylwerbern legen wir großen Wert auf die Deutschkenntnisse." Bei Spielern mit Suchthintergrund werde ausgelotet, wie stabil diese seien.
Ziel: Im Mittelfeld landen
Patrick Bayer wurde zum Kapitän ernannt. "Das erfüllt mich mit Stolz", sagt er. "Ich bin sehr ehrgeizig, am liebsten würde ich jedes Match gewinnen." Der Titel, wie 2003 in Graz, ist eher nicht drin. Andere Mannschaften würden sich ein Jahr lang auf die WM vorbereiten. Österreichs Team absolvierte zwei Trainingslager und zwei Vorbereitungsturniere. "Wir müssen zufrieden sein, wenn wir im Mittelfeld landen."
Torhüter Khaled Saleh sagt: "Ich gebe mein Bestes, um der Mannschaft zu helfen." In Damaskus hat er in der zweiten syrischen Liga gespielt. In Wien ist der Vater eines neunmonatigen Sohnes Goalie beim siebtklassigen Verein Rennweger SV und Schiedsrichter von Nachwuchspartien. Im Alter von sechs Jahren begann Saleh Fußball zu spielen, zunächst als Stürmer, mit 15 wurde er Torhüter. "Weil ich dafür Talent hatte."
Bayer kickt seit seinem dritten Lebensjahr, aktuell beim Achtligisten FC Mönichkirchen (Niederösterreich). Im Homeless-Worldcup-Team fühlt er sich wohl. "Wir sind gut zusammengewachsen. Es sind recht nette Typen und gute Fußballer dabei."
Und was erwartet Dietger Frank von dem Aufenthalt in Oslo? Der Wiener zählt auf: "Spaß, Kultur kennenlernen, viel Erfahrung mitnehmen." (Birgit Riezinger, 28.8.2017)