"Mit Andrej Babis auf ewige Zeiten" steht ironisch auf einem Transparent von Babis-Gegnern in Prag . Ein Slogan aus der kommunistischen Zeit lautete: "Mit der Sowjetunion auf ewige Zeiten".

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Am 26. August 1992, knapp drei Jahre nach der Wende, einigten sich Vladimír Meciar und Václav Klaus auf die Teilung der Tschechoslowakei.

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Prag/Wien – Wenn in Prag leidenschaftlich über das Timing polizeilicher Ermittlungen gegen amtierende Politiker gestritten wird, dann stehen mit großer Wahrscheinlichkeit Wahlen vor der Tür. In der Tat werden Ende Oktober die 200 Sitze des tschechischen Abgeordnetenhauses neu vergeben. Der Wahlkampf tritt langsam in seine heiße Phase, inhaltliche Debatten aber werden weitgehend überschattet von einem Skandal rund um den Bezug von Fördergeldern der EU.

Im Mittelpunkt steht dabei Andrej Babis, der Chef der liberal-populistischen Partei Ano. Babis gilt als zweitreichster Tscheche, die Zeitschrift Forbes schätzt sein Vermögen auf umgerechnet mehr als 3,2 Milliarden Euro. Ab Jänner 2014 war er obendrein tschechischer Finanzminister, bis er heuer im Mai nach einem Streit mit dem sozialdemokratischen Premier Bohuslav Sobotka den Hut nehmen musste. Sobotka hatte ihm unlautere Geschäftspraktiken als Unternehmer vorgeworfen.

"Storchennest"

Just eine der Affären, die Sobotka ein Dorn im Auge waren, kocht derzeit wieder hoch. Der Vorwurf: Babis soll vor zehn Jahren eine Firma aus seiner Holding Agrofert ausgegliedert haben, um für sein Freizeitareal Capí hnízdo (Storchennest) EU-Fördergelder zu kassieren, die eigentlich für Klein- und Mittelbetriebe vorgesehen waren. Insgesamt 50 Millionen Kronen (knapp zwei Millionen Euro) sollen auf diese Art unrechtmäßig in das "Storchennest" geflossen sein, während es über anonyme Aktien Familienangehörigen von Babis gehörte. Einige Jahre später kehrte die Firma wieder offiziell in den Schoß des Babis-Imperiums zurück.

Seit November 2015 ermittelt in der Causa die Polizei. Erst vor wenigen Tagen ersuchte sie formell um die Aufhebung der parlamentarischen Immunität von Andrej Babis und Jaroslav Faltýnek, einem früheren Mitarbeiter Babis's, der heute Klubchef seiner Partei im Abgeordnetenhaus ist. Der Immunitätsausschuss hat in der Sache noch keine Empfehlung abgegeben und auf Antrag eines Ano-Abgeordneten zunächst einmal die Ermittlungsakte angefordert, die mehr als 3000 Seiten lang sein soll.

Egal wann und wie das Parlament letztlich entscheidet: Babis, der die Vorwürfe illegaler Machenschaften zurückweist, wittert eine politische Instrumentalisierung der Polizei zu Wahlkampfzwecken. Auch Präsident Milos Zeman spricht von einem "verdächtigen" Timing. Andere wiederum weisen darauf hin, dass ein Abwarten bis nach der Wahl einen noch viel stärkeren politischen Beigeschmack gehabt hätte.

Friedliche Trennung

Wahltermin ist der 21. und 22. Oktober – in Tschechien wird traditionell am Freitag und Samstag abgestimmt. Die Babis-Partei Ano ist der klare Favorit: In Umfragen liegt sie mit etwa 30 Prozent in Führung. Die Sozialdemokraten, derzeit stärkste Parlamentspartei, bewegen sich weit abgeschlagen zwischen zehn und 15 Prozent. Gute Chancen auf einen Wiedereinzug ins Abgeordnetenhaus haben außerdem die Christdemokraten – derzeit kleinste Regierungspartei -, die Kommunisten, die rechtskonservativen Bürgerdemokraten und die liberal-konservative Top 09, für die unter anderem Ex-Außenminister Karl Schwarzenberg erneut antritt. Auch die nationalpopulistische Partei "Freiheit und direkte Demokratie" könnte den Sprung über die Fünf-Prozent-Hürde schaffen.

Wahlfavorit Babis, der aus der Slowakei stammt, steht übrigens symbolisch für die Geschichte des früheren tschechoslowakischen Staats, dessen dieser Tage häufig gedacht wird: Vor genau 25 Jahren, am 26. August 1992, einigten sich Václav Klaus und Vladimír Meciar, die Chefs der damaligen Teilregierungen, im Garten der berühmten Villa Tugendhat in Brünn auf die Teilung der Tschechoslowakei. Bereits zum Jahreswechsel 1992/93 – während der blutigen Zerfallskriege im ehemaligen Jugoslawien – war die friedliche Trennung vollzogen. (Gerald Schubert, 27.8.2017)