Es waren mehrere hunderttausend Menschen, die sich am Samstagabend in einem nicht enden wollenden Zug in Barcelonas Zentrum über den Passeig de Gràcia in Bewegung setzten und Richtung Plaza Catalunya strömten. Vor neun Tagen war von dort ein 22-jähriger Attentäter mit einem Lieferwagen gestartet, der durch seinen Zick-Zack-Kurs auf den Ramblas mehr als ein Dutzend Menschen getötet und mehr als hundert verletzt hatte.

Foto: Standard/Föderl-Schmid

Diese Gedenkveranstaltung stand unter dem katalanischen Motto: "No tinc por" – "Ich habe keine Angst". Viele hatten Blumen und Schilder dabei, auf denen sie vor Islamophobie warnten und zu Frieden aufriefen. Der Ort an den Ramblas, wo die meisten Menschen zu Tode kamen, ist mit Blumen, Bildern und Spruchplakaten übersät, während ringsum das normale Leben weitergeht und die Restaurants wieder gut besucht sind.

Blumen und Kerzen am Anschlagsort
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Angeführt wurde der mehr als 1,6 Kilometer lange Marsch vom katalanischen Regierungschef Carles Puigdemont und der Bürgermeisterin von Barcelona, Ada Colau, auch König Felipe VI. und Spaniens Ministerpräsident Mariano Rajoy nahmen teil. Zum ersten Mal seit Spaniens Rückkehr zur Monarchie 1975 beteiligte sich ein Monarch an einer solchen Massenkundgebung – und das ausgerechnet im unabhängigkeitswilligen Katalonien, wo die Königsfamilie einen schweren Stand hat.

Aber nicht die Politiker hielten am Plaza Catalunya Reden sondern zwei Frauen: Miriam Hatibi, Repräsentantin der muslimischen Stiftung Ibn Battutta, sowie die bekannte katalanische Schauspielerin Rosa Maria Sarda erinnerten in einer kurzen Zeremonie an die insgesamt 15 Toten und rund 130 Verletzten der Terroranschläge von Barcelona und Cambrils. Sie riefen zur Einheit gegen den Terror und für ein friedliches Zusammenleben auf. Dazwischen waren auf einer riesigen Leinwand Szenen von den Ramblas zu sehen. Minutenlang klatschte die riesige Menschenmenge. Immer wieder brandete Beifall auf, wenn Einsatzkräfte auftauchten. In die Mitte des Platzes durften nur Sanitäter, Polizisten, Feuerwehrleute und Menschen, die den Opfern nach den Anschlägen geholfen hatten.

Beifall für die Exekutive...
Föderl-Schmid
...und die Rettungskräfte.
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Buhrufe und Pfiffe gab es dagegen, als der König auf der Leinwand auftauchte. Einige hatten extra Blasinstrumente mitgebracht, um lautstärker ihren Unmut über die Anwesenheit des Monarchen und des spanischen Ministerpräsidenten Rajoy zum Ausdruck zu bringen. Auf einigen Plakaten wurden sie direkt für die Anschläge mitverantwortlich gemacht. "Eure Politik, unsere Toten", hieß es und vor allem Waffenlieferungen an Saudi-Arabien wurden auf zahlreichen Bannern kritisiert.

Protest gegen Waffengeschäfte.
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Tausende hatten katalanische Flaggen mitgebracht und nutzten die Gedenkveranstaltung zu einer Demonstration für die Unabhängigkeit Kataloniens. Ein Unabhängigkeitsreferendum ist für den 1. Oktober angesetzt. Mangelnder Informationsaustausch zwischen den katalanischen und den spanischen Polizeikräften soll die Terrorermittlungen behindert haben, was die Beziehungen zusätzlich belastet – auch wenn durch die Anschläge die Differenzen kurzfristig in den Hintergrund gerückt schienen.

Eine katalanische Flagge als Zeichen der Unabhängigkeit.
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Puigdemont reagierte auf das Pfeifkonzert gegen den König mit den Worten, man solle dieses nicht überbewerten, sondern den Aufruf zum Frieden in den Fokus stellen. "Die Meinungsfreiheit steht über allem. Die Menschen haben ihre Ansichten in Freiheit, in Frieden und im Geiste des Zusammenlebens zum Ausdruck gebracht." (Alexandra Föderl-Schmid, 26.8.2017)