Wenn es um Musik geht, gewinnt Spotify zunehmend an Beliebtheit – und dadurch auch an Marktmacht. Dem Streamingdienst, der bis 2018 an der Börse gelistet sein will, haften jedoch Gerüchte an, sich diese über sogenannte Payola-Geschäfte vergüten zu lassen.

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Wien – Playlists sind die neuen Alben. Das sagt zumindest Spotify. Und deshalb sind sie ganz oben auf der Startseite: Playlists nach Stimmungen ("Happy Hits"), Genres ("Deutschrap Royal") oder der Tageszeit ("Top of the Morning"). Sie sollen das neue Hörverhalten reflektieren, bei dem die Stimmung beim Hören wichtiger ist als ein bestimmter Künstler. Die Playlists auf den guten Plätzen sind allesamt von Spotify selbst erstellt. Das war nicht immer so.

"Die ursprüngliche, sehr charmante Idee war, dass es Nutzer sind, die Playlists erstellen und untereinander teilen", sagt Hannes Eder, ehemaliger Chef der Plattenfirma Universal in Österreich. Je häufiger eine Playlist gehört und geteilt wurde, desto höher rutschte sie. Es konnte passieren, dass eine "kleine", von einem privaten Nutzer erstellte Playlist populär wurde, hunderttausende Follower ansammelte und es bis auf die Startseite schaffte. Die drei großen Major-Labels Sony, Warner und Universal wollten mitmischen und kauften Start-ups, die Spotify-Playlisten kuratierten. "Als die Labels begannen ihre eigenen Playlists zu pushen, hat Spotify seine eigenen Playlists immer mehr forciert, um die Kontrolle über seine eigene Startseite zu behalten", sagt Eder. Playlists von privaten Nutzern sind inzwischen von der Startseite verschwunden.

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Der Streamingdienst Spotify wurde bei der jüngsten Finanzierungsrunde mit 8,5 Milliarden Dollar bewertet.
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Ein Lied in einer Playlist mit vielen Followern zu haben, kann für Plattenfirmen viel wert sein. Was einmal die Ö3-Charts waren, das ist heute die Spotify-Startseite Browse. Doch wie kommt ein Song da rein?

Eine Antwort liegt bei Johannes Fürst, der sich am 18. Juli in den Zug von Hamburg zu Spotify in Berlin gesetzt hat. Er arbeitet beim Hamburger Digitalvertrieb Finetunes. Das Unternehmen hilft Labels, ihre Musik an Handelsplattformen zu vertreiben. Er ist zuständig für die Kommunikation mit Streaming-Anbietern wie Spotify, dem wichtigsten Partner auf dem Markt. Fürst wird die Spotify-Redaktion in Berlin treffen, um ein neues Lied eines Kunden vorzustellen. Sieben Mitarbeiter sind bei Spotify dafür zuständig, neues Material zu sichten, Branchenvertreter wie Fürst zu treffen und Playlists zu erstellen. Spotify startete 2011 in Österreich und 2013 in Deutschland, die Redaktion gibt es aber erst seit zwei Jahren.

Vorschläge für Playlists

Das Lied, das Fürst vorschlägt, kommt gut an in der Spotify-Redaktion. Zwei Wochen später, am Freitag, dem 4. August, geht das Lied online. Es wird prominent gefeaturt und erhält die erste Position in Spotifys "Deutschrap Brandneu"-Playlist. In diesem Moment endet Fürsts Job. Er kann nur noch über ein Tool verfolgen, wie sich das Lied entwickelt: gut. Neben den Playlists werden Menschen auch von selbst darauf aufmerksam und suchen danach. Bereits nach einer Woche ist es in der "Top Hits Deutschland"-Playlist mit 1,1 Millionen Followern.

Eine Debatte in der Branche wird von manchen auch "Prostitution der Musikindustrie" genannt und ist so alt wie das Business selbst: Als Pay for Play oder Payola wurden früher Zahlungen von Plattenfirmen an Radiosender bezeichnet, damit ein Song öfter gespielt wird. 1959 kam es in den USA zu einem Skandal, etliche Radio-DJs wurden verurteilt. Heute steht der Begriff für die Beeinflussung von Berichterstattung und Airplay durch direkte oder indirekte Zahlungen wie Werbung.

Spotify wurde von Daniel Ek mitbegründet, der das Unternehmen auch leitet.
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Digitalvertriebe wie Finetunes stecken große Ressourcen in aufwendige Pitching-Prozesse, um mit einem Lied in eine der redaktionellen Spotify-Playlists zu gelangen. Das Online-Musikmagazin Cash Music bezeichnete dies als boomenden Geschäftszweig. Gibt es eine moderne Form derPayolas auf Streaming-Plattformen, bei der man sich in redaktionelle Playlists einkauft? der STANDARD hat sich umgehört.

Die Payola-Problematik sei altbekannt, nur dass es jetzt auf Streaming-Plattformen geschehe, sei neu, sagt ein ranghoher Vertreter der deutschen Musikindustrie, der anonym bleiben möchte. Auch wenn man es nicht beweisen könne: Man habe die Cover von Musikmagazinen genauso wie Airplay auf Radiostationen zu einem gewissen Maß schon immer indirekt mit Anzeigen kaufen können.

Plattenfirmen beteiligt

Allerdings verstärkt die Eigentümerstruktur von Spotify die Payola-Gerüchte: Alle drei großen Plattenfirmen sind beteiligt. Manche sprechen ihnen großen Einfluss auf Spotify zu. Der frühere Universal-Österreich-Chef Eder nicht. "Die Mär hält sich seit Tag eins, stimmt aber überhaupt nicht. Die besitzen nur Anteile von wenigen Prozent." Zwar würde das Geschäftsmodell der Streaming-Anbieter nur funktionieren, wenn die Major-Labels das wollten und ihren Katalog bereitstellten, aber Spotify sei die erfolgreichste Musikvertriebsform, "da kannst du heute als Label nicht nicht dabei sein". Zudem seien die Labels auf Plattformen wie Spotify angewiesen, denn "das ist der Hitmaker, der das digitale Wachstum erst herbeigeführt hat".

ExUniversal-Chef Eder glaubt, dass der Verband der Plattenfirmen, kurz IFPI, ein Grund dafür ist, dass es nie ein Payola-Verfahren in Österreich gegeben hat. Der Verband habe sich selbst ein ethisches Regelwerk zurechtgelegt. "Wenn ein Mitglied dagegen verstoßen hat, kann man das innerhalb des Verbandes klären." Damals habe man es "Chartmanipulationsversuche" genannt. In Österreich sei das "ganz selten, in anderen Ländern doch öfter vorgekommen".

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Der Stremingdienst hat Verträge mit den großen Musiklabels.
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Vor wenigen Tagen sorgte eine Meldung für Aufsehen: Spotify hatte sich auf eine Vertragsverlängerung mit Warner über dessen Musikkatalog geeinigt, mit Universal und Sony wurden bereits Abmachungen getroffen. Wie der STANDARD aus Branchenkreisen erfuhr, zahle Spotify bei derartigen Vertragsverlängerungen eine sogenannte "signing fee" an die Major-Labels.

Einem Börsengang von Spotify steht jetzt nichts mehr im Weg, sagen Analysten, denn potenzielle Investoren können jetzt sicher sein, dass Spotify auch weiterhin die wichtigen Musikkataloge im Repertoire haben wird. Bei der jüngsten Finanzierungsrunde wurde Spotify mit 8,5 Milliarden Dollar bewertet, der globale Martktanteil liegt bei knapp über 40 Prozent. Der Börsengang dürfte Ende des Jahres oder Anfang 2018 erfolgen. Und zwar auf unkonventionellem Weg: Spotify möchte das Preisbildungsverfahren umgehen und direkt gelistet werden. So will man Gebühren sparen. Die US-Börsenaufsicht prüft, ob man dafür eine Ausnahmeregelung gewährt. (Felix Diewald, 27.8.2017)