Bundespräsident Alexander Van der Bellen in Alpbach.

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Alpbach – "Konflikt und Kooperation" lautet das Generalthema des diesjährigen Forums Alpbach. Auf dem Programm steht daher nicht nur die aktuell brennende Frage, wie sich auf der weltpolitischen Bühne das Verhältnis der "Big Player" USA, China, Russland und Europa in den kommenden Monaten entwickeln wird – Stichwort Krise mit Nordkorea. Robby Mook, der Leiter der Wahlkampagne von Hillary Clinton bei den US-Präsidentschaftswahlen 2016, wies in einer Publikumsdebatte in Alpbach etwa darauf hin, dass die Sprunghaftigkeit von Donald Trump insofern ein Problem sei, als die Befehlsketten im Falle nuklearer Bedrohung besonders kurz seien.

Im Zentrum der Erörterungen über das schwierige Ausbalancieren von Konflikten und Kompromissen zwischen Staaten steht jedoch die Zukunft der EU, "Werte und Interessen eines gemeinsamen Europas". Als Hauptredner trat Bundespräsident Alexander Van der Bellen auf, von Forum-Präsident Franz Fischler ("Konflikte nehmen global ständig zu") erstmals im Tiroler Bergdorf offiziell begrüßt. Er replizierte auf den Schriftsteller Philipp Blom, der mit der These "Europa hat keine Zukunft" aufwartete: Spätere Generationen würden sagen, dass die Europäer bei den großen Herausforderungen Klimawandel, Migration, Schaffung von Arbeit versagt haben, die liberale Demokratie werde das Opfer sein.

"Ever closer union" in Bedrängnis

Van der Bellen widersprach, er erinnerte daran, dass es das Versagen schon oft gegeben habe. Die Geschichte nach dem Zweiten Weltkrieg zeige aber eine lange Erfolgsbahn. Die Schaffung der heutigen Union sei "eine einzigartige Zivilisations leistung" gewesen. Nach dem Abgrund des Holocaust, den Kriegen mit ihren dutzenden Millionen Toten, hätten sich die Staaten und die Bürger aus Einsicht zu einer friedlichen Kooperation entschlossen, erklärte Van der Bellen.

Im Vertrag von Lissabon (aus 2009) sei noch von einer "ever closer Union", also einer Gemeinschaft die Rede gewesen, die sich immer enger zusammenschließe. Mit dem Referendum zum Austritt Großbritanniens, den der Präsident für einen "schwerwiegenden Fehler" hält, sei zwar eine Wende eingetreten, räumte er ein.

Union der Werte

Bis dahin wollten sich immer mehr Staaten der Union anschließen. Die Entscheidung der Mehrheit der Briten für den Brexit sei aber "vielleicht auch eine Chance" darauf, dass die EU-Bürger sich auf das Wesentliche besinnen, "den Kompass" wiederfinden.

Die Grundsäule der Union seien Werte, die Grundrechte Freiheit, Gleichheit, Solidarität, Toleranz, Humanität. Auf dieser Basis müssten die Europäer ihre Zukunft und Sicherheit bauen, sagte der Präsident. Er baut dabei ganz auf die jüngere Generation. Aus vielen Begegnungen mit jungen Menschen wisse er, dass diese nach wie vor die EU guthießen und bei der Weiterentwicklung mitmachen wollten, was ihn zuversichtlich stimme. Einzelne EU-Staaten könnten auch nie leisten, was sie gemeinsam schafften.

Nur so seien die Probleme unserer Zeit – Schaffung von Arbeit in Zeiten von Globalisierung und Digitalisierung, Migration – zu bewältigen. In einer anschließenden Debatte mit Twens aus Somalia, der Schweiz, Ungarn und Großbritannien schien sich das zu bestätigen: Van der Bellen fühlte sich sichtlich wohl in diesem Ambiente. (Thomas Mayer, 27.8.2017)