Das Spannungsfeld Islam und Frauenrechte polarisiert heute vielleicht mehr denn je. Keine andere Religion wird so sehr mit Frauenunterdrückung assoziiert wie der Islam.

Wie kommt es zum Bild der unterdrückten Frau im Islam und ist dieser tatsächlich so misogyn wie er oftmals wahrgenommen wird? Auf einer Wiese unweit des Congress Centers stellten sich Kerstin Wonisch, Eurac-Forscherin in Bozen, und Siham Harfi, Vorsitzende der Jungen Muslime Bozen, der Herausforderung, diese und weitere Fragen zu beantworten.

"Fehlinterpretationen des Islam"

"Es ist nicht die Ideologie, die gegen uns arbeitet, sondern die Fehlinterpretationen des Islam", fasste Harfi ihr Argument zusammen. Als gläubige Muslima habe sie den Auftrag, den Islam für sich selbst zu interpretieren. Es sei falsch, einen einzelnen Vers für sich allein stehen zu lassen, die Botschaft des Korans sei nur als Ganzes greifbar.

Dies verdeutlichte Harfi gemeinsam mit Wonisch, welche ihre Masterarbeit über Feminismus und Islam verfasste, anhand der Sure 4:34. Eben jener Koranvers werde als Beleg der Überlegenheit des Mannes gegenüber der Frau betrachtet, wobei hierin nicht von Überlegenheit, sondern mitunter nur von der reinen (ökonomischen) Verpflichtung des Mannes für die Versorgung der Frau gesprochen werden kann. Setze man dies in den zeitlichen Kontext, in welchem der Koran entstanden ist, so sei dies nachvollziehbar und richtig. Im 21. Jahrhundert, in welchem viele Musliminnen durch ihre Berufstätigkeit nicht mehr von der Versorgung ihres Ehemanns abhängig sind, müsse man hier, so auch das Argument vieler islamischer Feministinnen, offen für neue Deutungen sein.

Kerstin Wonisch und Siham Harfi diskutierten über den Faminismus am Beispiel der Sure 4:34.
Foto: Magdalena Friedrich

Intertextueller Ansatz

Wie wichtig ein intertextueller Ansatz bei der Interpretation des Islam vor allem im Bezug auf die Rechte der Frau ist, zeigt Wonisch anhand des Beispiels der Schöpfung des Menschen.

In der islamischen Schöpfungsvorstellung wurden Mann und Frau vollkommen gleich von Gott erschaffen, wohingegen in der christlichen Vorstellung die Frau aus einem minderwichtigen Körperteil des Mannes – der Rippe - entstammt. Der Islam stelle Mann und Frau in rein religiösen Aspekten gleich, sowohl in Rechten, aber auch Pflichten. In diesem Punkt betont Harfi die Rolle von Aisha, Frau des Propheten Mohammed, welche als eine der ersten islamischen Rechtsgelehrten eine Vorbildwirkung für viele junge Musliminnen, sie selbst eingeschlossen, einnehme.

"Verkörperung von Freiheit"

Wie in jeder Diskussion über Frauenrechte und Islam, durfte auch in diesem Zusammenhang das Thema Verschleierung nicht fehlen. Für sie sei das Tragen eines Kopftuchs eine Sache von Bescheidenheit und Achtung vor sich selbst und immer eine rein persönliche Entscheidung, erklärt Harfi. Im täglichen Leben sehe sie sich nicht unterdrückt, vielmehr sei die Verschleierung "die größtmögliche Verkörperung von Freiheit", so Harfi, immerhin treffe sie etliche Menschen jeden Tag, die dagegen seien, aber sie trage ihr Kopftuch trotzdem. (Magdalena Friedrich, 28.8.2017)

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