Wien – Die kulturelle und intellektuelle Selbstständigkeit der Völker habe in der Antike zur Stabilität des Römischen Reichs beigetragen, sagt Thomas Corsten vom Institut für Alte Geschichte und Altertumskunde, Papyrologie und Epigrafik der Uni Wien. Vom 28. August bis 1. September widmet sich ein Kongress in Wien dem Verhältnis zwischen den diversen inschriftlichen Kulturen, zu dem rund 400 Wissenschafter erwartet werden.

"Sprachen – Schriftkulturen – Identitäten der Antike" lautet der Titel des diesjährigen Internationalen Kongresses für Griechische und Lateinische Epigrafik. Die Disziplin der erforscht Inschriften in griechischer und lateinischer Sprache aus der antiken griechisch-römischen Welt. Um ein Gesamtbild der Kulturgeschichte der Antike zu gewinnen, werden jedoch auch regionale Sprachen und Schriftsysteme einbezogen, darunter Keltisch, Punisch, Etruskisch und Ägyptisch sowie einige kleinasiatische und semitische Sprachen.

Diese seien von den Machthabern im Römischen Reich toleriert worden und hätten so eine stabilisierende Funktion ausgeübt, so Corsten. Denn die Benutzung einer eigenen Sprache innerhalb eines Vielvölkerstaats, wie es das Römische Reich war, trage zwar zum Selbstbewusstsein einer Gemeinschaft bei, allerdings weniger in politischer als in kultureller Hinsicht. "Das zeigte sich zunächst in Italien selbst, das ja erst im Laufe des 3. Jahrhunderts v. Chr. unterworfen und in den Machtbereich Roms eingegliedert wurde."

Neue Blüte

Die altitalischen Sprachen seien als Ausdruck kultureller Eigenständigkeit noch lange verwendet worden und über Inschriften erhalten geblieben. Ähnliches lasse sich in Kleinasien während der Kaiserzeit beobachten: Dort hätten die einheimischen Sprachen und verschiedenen griechischen Dialekte vom 1. bis zum 3. Jahrhundert sogar eine neue Blüte erlebt, indem sie – nach jahrhundertelanger Pause – in manchen Gegenden wieder in Inschriften verwendet wurden, so Corsten.

"Inschriften entwickelten sich in der Antike zum Medium par excellence für politisch-gesellschaftliche Diskurse. Und das zu so unterschiedlichen Themen wie Herrschaftslegitimation, Definition und Hierarchisierung sozialer Gruppen, Funktion und Selbstrepräsentation der Eliten, Erinnerungskultur oder Identität", sagte Kongressveranstalter Fritz Mitthof. Neben den monumentalen, zumeist auf Stein oder Bronze verewigten Dokumenten werden bei der Veranstaltung auch mit Griffel eingeritzte (Graffiti) oder mit Pinsel gemalte Kurzmitteilungen (Dipinti) behandelt. (APA, 28.8.2017)