Frisches Geld fehlt: Passagiere, die jetzt fliegen, haben ihre Tickets schon vor Wochen oder Monaten bezahlt.

Foto: APA / AFP/ Patrik Stollarz

Wien – Schön langsam drängt die Zeit, um für die insolvente Air Berlin eine Lösung zu finden. Obwohl die Fluglinie mit Schnäppchenpreisen wirbt, gehen die Buchungen zurück. Am Montag wurden erneut Tickets ab 79 Euro für Hin- und Rückflüge in Europa angeboten und ab 333 Euro Richtung USA. Allerdings kommt seit der Insolvenz kaum noch frisches Geld herein. Die Passagiere, die jetzt noch von Air Berlin geflogen werden, haben ihre Tickets schon vor Wochen oder Monaten bezahlt, dieses Geld ist mittlerweile in der Insolvenzmasse.

Im ersten Quartal soll Air Berlin pro Tag rund drei Millionen Euro Verlust gemacht haben. Im Sommer läuft das Geschäft wegen des Urlaubsverkehrs zwar traditionell besser. Allerdings gehen weniger Neubuchungen ein. Und die Geschäftspartner (unter anderem Flughäfen) beharren auf kürzeren Zahlungsfristen, wenn sie nicht Vorkasse verlangen.

Vielfliegerprogramm insolvent

In der Vorwoche hat nach der Air Berlin auch deren Vielfliegerprogramm Topbonus Insolvenz angemeldet. Topbonus wird als eigenes Unternehmen geführt, das Sammeln und Einlösen von Meilen ist dort bis auf Weiteres nicht möglich. Beides ist bereits seit 19. August ausgesetzt. Topbonus ist – wie Miles & More der Lufthansa – ein Kundenbindungsprogramm, bei dem man gesammelte Flugmeilen gegen Gratisflüge oder andere Prämien einlösen kann.

Seit Ende 2012 ist Topbonus zu 70 Prozent in der Hand der arabischen Fluglinie Etihad, Hauptaktionärin von Air Berlin; diese selbst hält noch 30 Prozent. Die Berliner hatten die Mehrheit an ihrem Vielfliegerprogramm seinerzeit um 200 Millionen Euro an Etihad verkauft. Topbonus hat nach eigenen Angaben 4,3 Millionen Kunden und etwa 55 Beschäftigte.

Der vorläufige Air-Berlin-Sachwalter Lucas Flöther sagte laut "Wirtschaftswoche", dass bei einer Konzerninsolvenz dieser Größenordnung die Aufarbeitung voraussichtlich noch jahrelang beschäftigen werde, man rede "von einem Zeitraum von sieben, acht Jahren, vielleicht auch mehr". Erst nach der Verkaufs- und Stabilisierungsphase könne mit der eigentlichen Aufarbeitung der Insolvenz begonnen werden. Dabei solle auch die Verantwortung früherer Manager und Aufsichtsräte geprüft werden. "Wir werden genau analysieren, was zur Insolvenz von Air Berlin geführt hat", kündigte Flöther an.

Aufsichtsrat Lauda

"Sollte es Ansprüche gegen frühere Manager oder Aufsichtsräte geben, werde ich diese auch geltend machen", so Flöther. Niki Lauda saß übrigens von Ende 2011 bis Anfang 2013 im Verwaltungsrat der börsennotierten Air Berlin.

Apropos Lauda: Am Dienstag habe er einen Termin beim Insolvenzverwalter von Air Berlin in Deutschland, sagte der Ex-Airliner. Er hat Interesse an der Übernahme des Ferienfliegers Niki, jener Airline, die er 2003 gründet, 2004 beteiligte sich Air Berlin an Niki. 2011 stieg Lauda komplett aus der Airline aus.

Die Lufthansa will zusätzlich zu den bereits von Air Berlin angemieteten 38 Mittelstreckenjets (fünf davon gingen an die AUA) weitere rund 50 Flugzeuge von Air Berlin übernehmen. Dazu gehört auch die Tochterfirma Niki. Damit könnten auch viele der mehr als 8.000 Mitarbeiter von Air Berlin bei Lufthansa landen. Allerdings werden sie sich zum überwiegenden Teil neu (und zu schlechteren Konditionen) bewerben müssen.

Die Mitarbeiter werden nicht bei der Lufthansa direkt angestellt, sondern großteils beim konzerneigenen Billigflieger Eurowings. Die Lufthansa selbst hat seit Jahren aus Kostengründen keine Piloten und Flugbegleiter eingestellt. Wachstum gab es nur bei Eurowings. Die Europazentrale von Eurowings ist in Wien, und dort gibt es noch keinen Kollektivvertrag. Wie berichtet haben auch Condor, Easyjet, Ryanair und der Unternehmer Hans Rudolf Wöhrl (gemeinsam mit Investoren) Interesse an Air Berlin angemeldet. Letzterer will die gesamt Airline übernehmen.

Gewerkschaft warnt vor Lohndumping

Die Gewerkschaft in Wien brachte sich gegen ein Lohndumping in der Airline-Branche bereits in Stellung. Und AUA-Chef Kay Kratky forderte indessen von der Gewerkschaft, sie müsse sich "dem Thema Arbeitszeitflexibilisierung endlich stellen. Mindestlohn einstreichen, aber Flexibilisierung nicht mittragen, ist aus meiner Sicht kein brauchbares Ergebnis", so der AUA-Chef jüngst im "Trend". Man müsse "die bedingungslose Sozialpartnerschaft hinterfragen".

Die junge Generation habe längst erkannt, dass viel mehr Selbstbestimmung beim Arbeiten wichtig sei. Kratky bemüht sich um eine Verlängerung seines Vertrags, der noch bis August 2018 läuft. "Ich denke, ich habe eine gute Ausgangsposition. Ich habe mir, denke ich, keinen Fauxpas zuschulden kommen lassen, und die Zahlen können sich auch sehen lassen."

Gläubigerausschuss muss zustimmen

Der Gläubigerausschuss bei Air Berlin muss jedenfalls einem Verkauf zustimmen. Dem Gremium gehören Vertreter von Air Berlin, Commerzbank, der Lufthansa-Tochter Eurowings, der deutschen Bundesagentur für Arbeit sowie ein Anwalt von Leasinggesellschaften an. Die Bundesagentur zahlt drei Monate lang das Insolvenzgeld für die 7.200 Mitarbeiter in Deutschland. Eurowings hat 38 Maschinen mit Besatzungen von Air Berlin gemietet und vorfinanziert und wäre deshalb von einer Einstellung des Flugbetriebs stark betroffen.

Air Berlin und die beteiligten Insolvenzexperten gehen jedenfalls davon aus, dass sich die begehrten Slots (Start- und Landerechte) wirksam an andere Airlines übertragen lassen. Vor allem mit dem Erlös daraus soll der 150-Millionen-Euro-Kredit getilgt werden, den die deutsche Regierung gewährt hat, um Air Berlin in der Luft zu halten. Die Slots standen zuletzt mit 80 Millionen Euro in der Bilanz von Air Berlin. Zum Vergleich: Für 222 Millionen Euro Ablöse wechselte jüngst der brasilianische Fußballer Neymar vom FC Barcelona zu Paris Saint-Germain.

Neue Perspektive für über 200 Mitarbeiter

Eurowings sucht aktuell 200 Piloten und 400 Flugbegleiter und "entfristet" alle bestehenden Verträge. Damit gibt es weitere Perspektiven für mehr als 200 Flugbegleiter von Eurowings und Germanwings, deren Verträge eigentlich 2018 auslaufen sollten, teilte Eurowings am Montag mit. Flugbegleitern, deren Verträge bereits heuer enden, wurde zudem eine berufliche Perspektive entweder bei Germanwings oder als so genannter Ready Entry bei Lufthansa ermöglicht.

(cr, 28.8.2017)