Die Gletscher wie hier nahe der Unfallstelle in der Reichenspitzgruppe sind derzeit völlig blank und mit Geröll übersät. Schon im mittelsteilen Gelände ist da ein Sturz ohne Sicherung kaum zu halten.

foto: bergrettung krimml

Salzburg – Mitreißunfälle wie jener, bei dem am Sonntag fünf bayerische Bergsteiger ums Leben kamen und bei dem ein sechster Bergsteiger schwer verletzt wurde, sind in der alpinen Risikoforschung hinlänglich dokumentiert. Der ehemalige Leiter der Sicherheitsforschung des Deutschen Alpenvereins, Pit Schubert, hat schon vor drei Jahrzehnten begonnen, solche Unfälle auch mit Versuchspersonen nachzustellen.

Schubert über die Versuche auf Firn- und Eisfeldern: "Eine geringe Steilheit reicht aus, wenn einer stürzt, reißt er alle Partner mit in die Tiefe."

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So kam es auch zu dem Absturz am Sonntag. Nach Aussagen von Augenzeugen, die in der Nähe selbst am Berg unterwegs waren, dürfte die Gruppe versucht haben umzudrehen. Dabei ist einer der sechs Bergsteiger gestürzt und hat seine Kollegen mitgerissen. Die ganze Gruppe stürzte dann in die Randkluft. Der genaue Unfallhergang wird aber erst nach der Einvernahme des Überlebenden feststehen. Unklar war am Montag noch, ob es sich beim Führer der Gruppe um einen staatlich geprüften Bergführer gehandelt hat.

Eisschrauben als Fixpunkt

Der Fehler lag eindeutig bei den Bergsteigern, sagen alle Experten. Solche Seilschaftsstürze müssten nicht sein, meint der Südtiroler Alpinist Reinhold Messner im STANDARD-Gespräch. Man müsse bei solchen Bedingungen Eisschrauben zum Sichern setzen.

Beinahe wortgleich argumentieren der Tiroler Bergrettungsleiter Peter Veider und der Pinzgauer Bergretter Franz Gensbichler, der den Rettungseinsatz geleitet hat. Bei 40 Grad Steilheit wie am Wildgerloskees müsse "ein Stand" gebaut werden. Das bedeutet, mit Eisschrauben einen Fixpunkt herzustellen.

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Viel hängt wohl auch von der Planung und der alpinen Erfahrung ab. Denn die von der Sechserseilschaft am Sonntag versuchte Skitour auf den 3.260 Meter hohen Gabler gelte bei entsprechenden Bedingungen als mäßig schwierig, sagt Gensbichler.

Vermehrter Steinschlag

Das grundsätzliche Problem sei, dass viele technisch gute Leute die Berge mit der Kletterhalle verwechseln, ergänzt Messner. Solche Unfälle ließen sich leicht vermeiden, wenn die Menschen mehr Ahnung vom Gebirge hätten. "Die Fehler macht nämlich immer der Mensch und nie der Berg", sagt Messner.

Obschon, wie auch Alpinlegende Messner einräumt, es Situationen gebe, "wo kein Überleben möglich ist". Messner meint den Bergsturz am schweizerischen Piz Cengalo im Bergell. Wenn Gestein mit der Masse eines Hochhauses abbreche, "gibt es kein Davonlaufen".

So gesehen mache der Klimawandel das Bergsteigen immer gefährlicher, weil die Gletscher immer weiter zerreißen würden, sagt Messner. Dass der Rückgang der Gletscher problematisch ist, bestätigt auch der Pinzgauer Bergretter Gensbichler. Viele Berg- und Gletschertouren seien einfach aufgrund des Steinschlags nicht mehr machbar.

Das Gebiet, in dem sich am Sonntag der Unfall ereignete, sei ein gutes Beispiel dafür. Auch bei der Bergung der fünf Toten und des Verletzten seien die Bergretter immer wieder mit Steinschlag konfrontiert gewesen. (Thomas Neuhold, 28.8.2017)