Endlich spricht jemand Klartext, haben sich viele Brexit-Skeptiker gedacht, als Labour-Chef Jeremy Corbyn am Sonntag eine neue Linie für seine Oppositionspartei vorgab: Großbritannien soll nach dem EU-Austritt noch auf Jahre im Binnenmarkt und in der Zollunion bleiben, forderte er – und ging damit auf Konfrontation zum "harten Brexit" von Theresa May und ihrer Regierung.

Auf die neue Runde der Brexit-Verhandlungen hat der Vorstoß wenig Einfluss. Denn über zukünftige Beziehungen will die EU nicht reden, solange die Modalitäten der Scheidung – vor allem das Geld – nicht geklärt sind.

Aber der Labour-Schwenk zeigt erneut das Dilemma auf, in das sich die Briten mit ihrem unüberlegten Brexit-Votum selbst geführt haben. Denn die Mitgliedschaft im Binnenmarkt verlangt, wie das Beispiel Norwegen zeigt, auch den freien Personenverkehr. Und die Einschränkung der Zuwanderung war die einzige Position, bei der in der britischen Bevölkerungsmehrheit Einigkeit herrscht.

Ein Verzicht würde Labour politisch ebenso viel kosten wie der wirtschaftliche Schaden eines harten Brexits die Konservativen. Letztlich müssen beide auf eine Lösung hoffen, in der das Königreich "ein bisschen schwanger" sein darf: Teile des Binnenmarkts, gepaart mit ein paar Zuwanderungshürden. Das widerspricht allerdings den Grundsätzen der EU. Brüssel wird sich im Scheidungsprozess ein solches Arrangement wohl teuer abkaufen lassen. (Eric Frey, 28.8.2017)