Man braucht also nicht in Länder und Kulturen mit weithin vormodernen Geschlechterrollen und ausgeprägtem Patriarchat zu schauen, um die Probleme herrschender Männlichkeit für demokratische Prozesse zu entdecken: Wie eine aufschlussreiche Sora-Studie zeigt, wählen Männer in einem herausragenden Maß eine Partei wie die FPÖ, die tendenziell oder gar extrem rechte, ausländer- und migrantenfeindliche und auch frauenfeindliche Haltungen vertritt ("Der rechte Rand ist männlich", DER STANDARD, 28. 8. 2017).

Rund 30 Prozent ist ein auffällig hoher Anteil im Vergleich zu Frauen, die zu "weicheren", ökologischeren und sozial ausgewogeneren Parteipositionen, als sie die FPÖ vertritt, neigen (und eher – was auch ein Traditionalismus-Merkmal sein könnte – dem jungen und angeblich feschen ÖVP-Chef zugeneigt sind).

Neben den statistischen Analysen schreit dieses Ergebnis auch nach Erklärungen der Verteilung des Wahlverhaltens gemäß dem Geschlecht und damit von offenbar geschlechtsspezifischen Haltungen und Werten: Männer werden nämlich, ebenso wenig wie Frauen zumindest seit Simone de Beauvoir, nicht als Männer und schon gar nicht als mehrheitliche FPÖ-Wähler geboren – sondern sie werden dazu gemacht.

Deshalb ist es längst angesagt, Mittel zur Geschlechterforschung nicht wie bisher völlig einseitig für Studien zur Frauenforschung zur Verfügung zu stellen. Längst müssten Einrichtungen und Initiativen gefördert und unterstützt werden, die sich um die problematischen, demokratiegefährdenden, gegen Minderheiten, Frauen und Migranten gerichteten Haltungen von Männern kümmern und die Bedingungen ins Auge fassen, die die Entwicklung solcher Haltungen bei Männern fördern. Genderforschung – das wird an bedenklichen Ergebnissen wie diesem sehr deutlich – ist mehr als Frauenforschung, Gender-Lehrstühle mehr als Frauenforschungs-Lehrstühle. Männerforschung könnte – wenn sie sich kritisch mit immer noch vorhandenen traditionellen Sozialisationsbedingungen von Männern befasst – dann einen wichtigen Beitrag zur Entwicklung der Demokratie und zu einem besseren Geschlechterverhältnis insgesamt leisten. (Josef Christian Aigner, 29.8.2017)