Menschen auf der Flucht vor den Überflutungen nach dem Hurrikan Harvey in Houston, Texas, am Dienstag.

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Im Georg R. Brown Convention Center in Houston hat das Rote Kreuz bisher mehr als 9.000 Menschen untergebracht.

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US-Präsident Donald Trump ist in Begleitung seiner Ehefrau Melania in Texas eingetroffen.

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Trump traf in der Stadt Corpus Christi den Gouverneur von Texas, Greg Abbott.

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In den von Überschwemmungen verwüsteten Teilen des US-Bundesstaates Texas kämpfen die Menschen mit den verheerenden Folgen des Tropensturms "Harvey". Nach einem Dammbruch an den Columbia-Seen infolge des Sturms riefen die Behörden die betroffenen Bewohner südlich der Großstadt Houston zur sofortigen Evakuierung auf. "Sofort raus jetzt!!", schrieb die Verwaltung des Kreises Brazoria via Twitter. Der Damm habe unter dem Druck der Wassermassen nachgegeben. In der besonders schwer getroffenen Stadt Houston lief ein Damm über.

US-Präsident Donald Trump traf indes mit seiner Frau Melania in Texas ein, um sich ein Bild von den Verwüstungen zu machen. Er dankte den Rettungskräften und den Vertretern örtlicher Behörden für ihre Leistungen im Kampf gegen die Fluten. Es sei jedoch noch zu früh, sich gegenseitig zu gratulieren. "Das tun wir erst, wenn es vorbei ist", sagte der Präsident. "Harvey" sei zwar gewaltig, sagte der Republikaner in Corpus Christi. "Es ist historisch, es ist episch, aber ich sag's euch: Es ist in Texas passiert – und Texas wird mit allem fertig."

Familie vermisst

Das Ausmaß der Katastrophe wird immer deutlicher. Ric Saldivar glaubt, dass sechs vermisste Verwandte nicht mehr am Leben sind. Als die Fluten am Sonntag den Gedanken an Flucht nahelegten, hatte er noch Kontakt zu seinem Bruder Sammy. Er habe, erzählt Ric Saldivar dem Lokalsender KTRK, dem Bruder geraten, das Haus zu verlassen und seine vier Kinder zusammen mit seinen Großeltern in einen Lieferwagen zu setzen. Sie sollten sich in Sicherheit bringen.

Eine überflutete Stelle auf dem Green River Drive habe Sammy bereits passiert, danach sei er über eine Brücke gefahren. An deren Ende aber sei das Wasser dermaßen rasant gestiegen und die Strömung so stark gewesen, dass das Auto weggerissen wurde. Sammy habe sich durch ein halb geöffnetes Fenster retten können, sagt sein Bruder. Verzweifelt habe er noch versucht, die Tür des Lieferwagens zu öffnen. Vergebens. Vier Kinder, glaubt Ric, seien in dem Auto ertrunken, Devy (16), Dominic (14), Xavier (8) und Daisy (6).

Dazu Bedia und Manuel Saldivar, Sammys Großeltern. Ein Sprecher des Sheriffs von Harris County, des Verwaltungsbezirks, zu dem Houston gehört, lässt indes alles offen. Es seien keine Leichen geborgen worden, von dem Lieferwagen fehle jede Spur. "Wir werden warten müssen, bis das Wasser wieder sinkt."

Zahl der Ertrunkenen unklar

Rechnet man die sechs dazu, sind bisher elf Menschen der Sintflut zum Opfer gefallen, die Houston in eine Seenlandschaft verwandelt hat – auch ein Polizist ist unter den Toten, wie Sylvester Turner, Bürgermeister von Houston, am Dienstag bekanntgab. Jeder weiß, es ist nur eine vorläufige Zahl. Niemand kann sagen, wie viele Ertrunkene noch aus den von den Wassermassen weggespülten Autos geborgen, wie viele Leichen noch aus Häusern geholt werden, deren Erdgeschoße komplett in der graugrünen Brühe versanken.

Nach Schätzung der Behörden sind bisher mindestens 30.000 Menschen in höchster Not geflohen, die meisten gerettet von Freiwilligen, die in Booten von Haustür zu Haustür fuhren. Bis hinauf nach Dallas, unter normalen Umständen rund vier Autostunden entfernt, wurden Sportstadien, Schulturnhallen, Konferenzzentren und in einem Fall sogar ein Möbelladen in Notunterkünfte verwandelt.

Im George R. Brown Convention Center, eine Kongresshalle im Zentrum Houstons, hatten bis Dienstagmittag mehr als 9.000 Evakuierte Zuflucht gefunden. Ein Ansturm, mit dem so nicht gerechnet wurde: Nur jeder Zweite konnte auf einem Feldbett schlafen, während die anderen die Nacht auf Stühlen oder dem nackten Fußboden verbringen mussten.

New Orleans im Hinterkopf

"Die Dinge sind unter Kontrolle. Alles ist ruhig", betont Tom McCasland, der zuständige Manager, am Telefon, darum bemüht, Gedanken an das Desaster nach dem Hurrikan Katrina gar nicht erst aufkommen zu lassen. Nachdem sich der Sturm im August 2005 über New Orleans ausgetobt hatte, wurde der Superdome, eine Footballarena, zum Notaufnahmelager. Die skandalösen Bedingungen, unter denen dort Tausende lebten, sind noch gut in Erinnerung, auch in Houston.

Beide Flughäfen der Stadt haben den Betrieb eingestellt, die Schulen sind seit Montag geschlossen. Etliche Straßen lassen sich nicht passieren. Schnelle Besserung ist nicht in Sicht. "Wir sehen katastrophale Überflutungen, die wahrscheinlich noch schlimmer werden, weil es weiter regnet und das Wasser nur langsam abfließt", schildert der Leiter des Nationalen Wetterdienstes NWS, Louis Uccellini, die Lage.

Was Harvey an Schäden hinterlassen werde, darüber könne man sich derzeit nicht annähernd ein Bild machen. Es gehe weit über das hinaus, was man aus bisheriger Erfahrung kenne. Es handle sich um eine der schlimmsten Katastrophen, die Amerika jemals heimgesucht habe, sagt Greg Abbott, der Gouverneur von Texas. "Wir müssen anerkennen, dass es eine neue Realität geben wird, eine neue und andere Realität für die gesamte Region." (Frank Herrmann, red, 29.8.2017)