Frankfurt – Der Rivale Germania will mit einer Klage einen Verkauf von Air Berlin an die Lufthansa torpedieren. Die kleine Berliner Fluggesellschaft fürchtet, dass die Bundesregierung die Kranich-Airline beim Verkaufsprozess bevorzugt. Germania habe beim Landgericht Berlin deshalb ein Eilverfahren gegen die Vergabe des 150 Millionen Euro schweren Staatskredits an Air Berlin eingeleitet, teilte das Gericht am Dienstag mit. Die Verhandlung soll am 15. September stattfinden. Bis zu diesem Tag will Air Berlin in dem unter Hochdruck laufenden Verkaufsprozess weitere Gebote sammeln.

Germania will Deutschland gerichtlich untersagen lassen, für das Darlehen Bürgschaften zu stellen, solange die EU dem Vorgehen nicht zugestimmt hat. Eine Sprecherin der EU-Kommission erklärte jedoch, die Behörde sei zuversichtlich, eine Lösung im Rahmen des EU-Rechts zu finden. Von Air Berlin sowie dem Wirtschafts- und dem Finanzministerium waren zunächst keine Stellungnahmen zu erhalten. Bisher sei aus der Kreditlinie des Bundes noch kein Geld geflossen, erklärte ein Insider. An dem Vertrag werde noch gefeilt.

Air Berlin hatte vor zwei Wochen einen Insolvenzantrag gestellt. Platzhirsch Lufthansa ist ein aussichtsreicher Bieter für einen Großteil des Flugbetriebs des zweitgrößten deutschen Anbieters.

"Mit der Welt verbinden"

Ungeachtet der juristischen Turbulenzen will die Lufthansa Insidern zufolge nach dem geplanten Kauf von Air Berlin viele Überseeflüge weiter betreiben. Geplant sei, Verbindungen von Berlin und von Düsseldorf aus weiter zu bedienen, sagte eine mit den Plänen vertraute Person der Nachrichtenagentur Reuters. Insgesamt wolle die Lufthansa für ihre Billigtochter Eurowings etwa ein Dutzend der 17 Langstreckenmaschinen der insolventen Konkurrentin übernehmen. "Die Planungen sehen vor, dass zwei der Flugzeuge in Berlin und bis zu zehn in Düsseldorf stationiert werden", ergänzte der Insider. Vorstellbar seien Flüge von der Hauptstadt an die US-Ostküste, etwa nach New York oder Washington. Bislang bietet die Lufthansa keine Langstreckenflüge von Berlin aus an.

Insgesamt bietet die Lufthansa Insidern zufolge für bis zu 90 der rund 140 Maschinen. Damit würden bis zu 3000 der rund 8000 Beschäftigten zum deutschen Marktführer wechseln, und zwar ausschließlich fliegendes Personal. Die Arbeitnehmer von Air Berlin befürchten Nachteile vor allem für die 2800 Beschäftigten außerhalb des Flugbetriebs. "Die gefährdetsten Arbeitsplätze sind in der Verwaltung und der Technik", sagte der stellvertretende Betriebsratschef von Air-Berlin-Technik, Wolfgang Fleischer, nach einem Treffen mit Berlins Regierendem Bürgermeister Michael Müller.

Interessenten haben bis zum 15. September Zeit, um ihre Angebote abzugeben, wie Air Berlin erklärte. Nach bisheriger Planung könnte der Gläubigerausschuss über die Offerten dann am 21. September entscheiden, hieß es aus verhandlungsnahen Kreisen. Doch seien Verzögerungen möglich. Aktuell seien rund zehn Airlines und Luftfahrtunternehmer interessiert.

Langstreckennezt ausgedünnt

Die Zeit drängt offenbar, da Air Berlin ab Mitte kommenden Monats einige Überseeflüge streicht, etwa von Berlin nach Abu Dhabi und Chicago. Zudem fallen die Strecken von Berlin nach Los Angeles und San Francisco sowie von Düsseldorf nach Boston früher weg als bislang geplant, wie Air Berlin mitteilte. Die Passagiere der betroffenen Flüge sollten umgebucht werden. Weiter angeboten würden die Verbindungen von Berlin nach New York und Miami. Nach Aussagen von Air-Berlin-Chefsanierer Frank Kebekus gingen die Buchungen seit der Pleite zurück, insbesondere auf der Langstrecke.

Air Berlin hat sich schwer damit getan, ein profitables Langstreckengeschäft aufzubauen. Dafür war die Flotte mit 17 Jets zu klein. Zudem waren auf den Verbindungen von und nach Berlin Geschäftsreisende rar, die viel für ein Ticket ausgeben.

Das ebenfalls insolvente Air-Berlin-Vielfliegerangebot Topbonus geht unterdessen auf Partnersuche. Die Bonusmeilen der 4,3 Millionen Kunden sollten zunächst weiter erfasst werden und könnten wieder gutgeschrieben werden, wenn ein wirtschaftlicher Weg für deren Einlösen gefunden sei, erklärte Geschäftsführer Anton Lill. Optionen dazu würden bereits geprüft.

Interesse an einem Kauf von Air Berlin hat auch Ryanair bekundet. Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) warnt jedoch vor einem solchen Schritt. "Ryanair ist ein arbeitnehmerfeindliches Unternehmen. Das Geschäftsmodell ist frühkapitalistisch", sagte er dem "Tagesspiegel". (Reuters, 29.8.2017)